Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

20 Geburtstagswuͤnsche Marie in Goͤttingen Besuch in Cassel 
Ungluͤck habe, zu erleben, daß Du Dich wie ein unvernuͤnftiges Geschoͤpf 
betraͤgst und unwuͤrdig all der Sorgen und Muͤhen, die man sich mit 
Dir und fuͤr Dich macht.“ Gewiß ein eigenartiger Geburtstagswunsch, 
aber in seiner Herbheit ein gesundes Gegengift gegen die servile An⸗ 
himmelung, in der sich andre dem fuͤrstlichen Kinde gegenuͤber gefielen. 
So ließen die in Goͤttingen studierenden Hanauer)) es sich nicht nehmen, 
hren zukuͤnftigen Landesherrn zu feiern. Das Festpoem, das sie ihm 
zum Geburtstag uͤberrreichten, begann mit den Worten: „Prinz, dessen 
großer Geist Sein Alter uͤbereilet“ und schloß mit dem Zukunftsausblick: 
Du wirst, o großer Prinz, zur Ehre Deiner Ahnen 
Nicht leichte Wege gehn, nein! neue Steige bahnen 
Und doch einst Helden nach dir ziehn; 
Du wirst der Vaͤter Lob vereinen. 
In Dir soll auf einmal erscheinen 
Trajan, August und Antonin. 
Daß eine Mutter, wie die Erbprinzessin Marie es nicht lange allein 
in Cassel aushielt, ist zu begreifen. „Ich kann Euch gar nicht sagen, 
wie ich mich danach sehne, Euch einen Besuch zu machen. Ich glaube, 
ich fresse Euch alle auf vor Freude, wenn ich Euch wiedersehe“ schrieb 
sie schon ein paar Tage nach der Trennung, und als ihr erster Besuch 
in Aussicht stand, jubelte sie: „Liebe, liebe Seele, mache Dich bereit, eile 
Dich! heute um Mittag werde ich bei Euch sein! Ich bin ganz von 
Sinnen vor Freude.“ Das war bereits im Januar 1755, wo sie fuͤr 
ein paar Tage nach Goͤttingen kam, und schon im naͤchsten Monat wieder— 
holte sie ihren Besuch. Im Maͤrz machte Wilhelm VIII. seiner Schwieger⸗ 
tochter zu ihrem 32. Geburtstag das schoͤnste Geschenk, das er ihr geben 
konnte, er uͤberraschte sie durch den Besuch ihrer Soͤhne, die ein paar 
gluͤckliche Ferienwochen in Cassel zubringen durften. Der Geburtstag 
selbst (8. Maͤrz) wurde etwas getruͤbt durch den am selben Tage erfolg— 
ten ploͤtzlichen Tod des alten Prinzen Georg, (vgl. S. 6), dessen Leich⸗ 
nam sechs Tage spaͤter in kalter Winternacht — die Fulda war in diesem 
Jahre bis zum 21. Maͤrz zugefroren — beim Schein von 400 Fackeln 
in der Fuͤrstengruft zu St. Martin beigesetzt wurde. Anfang Mai reisten 
die Prinzen wieder nach Goͤttingen zuruͤck. Sie haͤtten eigentlich noch 
etwas laͤnger bleiben sollen, aber das Befinden des alten Landgrafen, 
1) Unterzeichnet hatten sich: G. A. Kramer, W. Edelsheim, K. F. Gremp von 
Freudenstein, G. A. Junker (Hofmeister der Edelsheims), G. W. Klingender, F. G. Langer⸗ 
mann, J. L. Nies, C. L. Schaͤl, J. W. Wannemacher, G. K. Wannemacher und E. W. 
Wolfart.
	        
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