Aufstellung des Armeekorps
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zu Ende sei, und rief die Hessen auf, in die Reihen der Streiter fuͤr
Deutschlands Wiederaufrichtung zu treten: „Sammelt euch deswegen
willig zu den Fahnen, um unter der eignen Anfuͤhrung meines einzigen
vielgeliebten Sohnes durch standhaften Muth zu zeigen, daß ihr Deutsche,
daß ihr Hessen, eurer Vorfahren wuͤrdig seid!“
Die militaͤrischen Bedingungen des Frankfurter Vertrages, mit deren
Ausfuͤhrung sofort begonnen wurde, stellten ungeheure Anforderungen
an das arme Hessenland. Selbst Stein fand sie viel zu hart. Das
Land war ausgesogen und ausgepreßt wie eine Zitrone. Die Bluͤte
seiner Jugend lag in Spanien und auf Rußlands eisigen Feldern be—
graben; von der westfaͤlischen Armee, auf der man haͤtte aufbauen koͤnnen,
war so gut wie nichts mehr vorhanden. Es fehlte an Waffen, Munition,
Uniformen, Ausruͤstungsgegenstaͤnden jeglicher Art. Was davon noch
vorhanden gewesen war, haͤtten die russischen Befreier als gute Beute
mit fortgeschleppt. Aber die vaterlaͤndische Begeisterung, die nach der
langen Zeit der Schmach alle Kreise in Hessen ergriffen hatte, half alle
schier unuͤberwindlich scheinenden Schwierigkeiten uͤberwinden. In der
Hauptstadt, wo man allen Grund hatte, die Erinnerung an manche
Vorfaͤlle der letzten Jahre zu verwischen, ging man mit gutem Beispiel
voran. Hier bildeten sich freiwillige Jaͤgerkorpos, die Mensing, der
Retter des kurfuͤrstlichen Schatzes, organisierte. Bei ihrer Parade am
29. Januar kam es zu lebhaften Ovationen fuͤr den Kurfuͤrsten, den die
Casselaner jubelnd umdraͤngten. „Se. kurfuͤrstliche Durchlaucht ließen
das Volk dicht an seine geheiligte Person herankommen, keine drohende
Waffe durfte es hier aus der Naͤhe seines vielgeliebten Vaters ver—⸗
scheuchen“, schrieb die Casseler Allgem. Zeitung noch ganz im Jargon
des Westfaͤlischen Moniteurs. Außer den alten Regimentern wurden
alle Waffenfaͤhigen von 17—43 Jahren als Landwehr und Landsturm
zu den Fahnen beordert. Ein von der Kurfuͤrstin und den Prinzessinnen
nach Berliner Muster begruͤndeter Frauenverein organisierte die Liebes
taͤtigkeit, an der alle Klassen der Bevoͤlkerung sich mit großen Opfern
beteiligten. Der Kurfuͤrst stiftete 1000 Louisdor dafuͤr. Er mußte uͤber⸗
haupt tief in seinen Beutel greifen; der Kostenaufwand fuͤr Aufstellung
und Ausruͤstung der Armee betrug nahe an 21/, Million Taler. Der
Kurprinz, der die Mobilisierungsarbeiten leitete, entledigte sich seiner
Aufgabe in der besten Weise. Schon im Maͤrz 1814 war die vorge—
schriebene Zahl von 24000 Mann erreicht. Die Kurhessen waren
m Vergleich mit allen uͤbrigen in aͤhnlicher Lage befindlichen deutschen
Kontingenten weitaus die ersten und verhaͤltnismaͤßig zahlreichsten, die