Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

14. Kurfuͤrst Wilhelm seit der Restauration 
18132241 
C uͤr Wilhelms Nachruhm waͤre es besser gewesen, wenn er, der siebzig⸗ 
—F jaͤhrige Greis, nach dem beispiellosen Jubel des Volkes bei seiner 
Ruͤckkehr die Zuͤgel der Regierung seinem Sohne uͤberlassen haͤtte. Einen 
gluͤcklicheren Abgang von der politischen Buͤhne als den unter den Freuden⸗ 
traͤnen der Hessen haͤtte er sich nicht verschaffen koͤnnen. Aber dieser Ge⸗ 
danke ist ihm sicher nie gekommen, konnte ihm bei seiner Naturanlage 
auch nicht kommen. Daß eine neue Zeit angebrochen war, in die er 
nicht hineinpaßte, fuͤhlte er wohl, aber er wollte von dieser neuen Zeit 
nichts wissen, wollte seinem Volke vielmehr die gute alte Zeit wieder 
bringen, wie er sie sich ausmalte. In diesem Sinne betete er bei dem 
feierlichen Dankgottesdienst in der Großen Kirche am dritten Tage nach 
seiner Ankunft zu Gott und versprach ihm, „alles zu thun und zu leiden 
fuͤr das gute Hessenland in tiefster Dankbarkeit dafuͤr, daß Gott ihn 
wieder dahin zuruͤckgebracht habe.“ 
Einstweilen gebot freilich noch der russische Gouverneur Ratzen in 
Cassel, und der Kurfuͤrst hatte zunaͤchst dort nicht viel zu sagen. Seine 
einzige bisherige Regierungshandlung war die sofortige Wiedereinberufung 
der 1806 beurlaubten Regimenter gewesen. Wilhelm wußte ja noch 
gar nicht, wie das Hauptquartier der Alliierten seine Ruͤckkehr aufnehmen 
wuͤrde, oder vielmehr er wußte ganz gut, daß zum mindesten eine dort 
sehr einflußreiche Persoͤnlichkeit recht unzufrieden damit sein wuͤrde. Das 
war der Freiherr vom Stein. Er war der Leiter des im Maͤrz 1813 
von den Alliierten eingesetzten Zentralverwaltungsrats (zu dem uͤbrigens 
Kurfuͤrst Wilhelm hauptsaͤchlich die Gelder hergegeben hatte), und das 
Schicksal Kurhessens lag zunaͤchst sozusagen in der Hand dieses großen, 
von schroffer Einseitigkeit und Parteilichkeit nicht freien Patrioten. Mit 
dem ganzen Groll des mediatisierten Reichsritters haßte Stein das 
„Lumpengesindel der deutschen Fuͤrsten“ und machte dabei kaum einen 
Unterschied zwischen den Rheinbuͤndlern und den Gegnern Napoleons. 
Schon im November 1812 hatte er erklaͤrt: „selbst die vertriebenen Fuͤrsten 
haben kein Recht, ihre Wiedereinsetzung zu verlangen“, und hatte dabei 
besonders an den „unfaͤhigen, kleinlichen, habsuͤchtigen Greis“ gedacht.
	        
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