Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Lepel und Stein 1813 Tschernyscheffs Zug 321 
Monarchen gar keine Anstalten machen wollten, bindende Abmachungen 
uͤber seine Wiedereinsetzung zu treffen. Nach der ungluͤcklichen Schlacht 
bei Bautzen, als die Stimmung im deutschen Lager recht niedergedruͤckt 
war, hatte Lepel am 283. Mai die ersten 100 000 Taler im Namen 
des Kurfuͤrsten an Stein uͤberbracht. Dieser war darob so erfreut 
gewesen, daß er Lepel durch das Anerbieten uͤberraschte, Kurhessen beim 
Friedensschluß durch das darmstaͤdtische Oberhessen zu arrondieren. Als 
dann die Lage sich wieder besserte, war davon keine Rede mehr. Viel— 
mehr mußte Hans v. Gagern (G. 210), den der Kurfuͤrst zu seinem 
Bevollmaͤchtigten beim Zentralrat Steins ernannte, merken, daß Stein 
den Kurfuͤrsten bei der geplanten Besitznahme und Verwaltung Kur— 
bessens voͤllig auszuschalten und fernzuhalten suchte. 
Anfang Oktober hoͤrte Wilhelm, daß der laͤngst geplante Vormarsch 
eines leichten Streifkorps auf Cassel von dem russischen General Tscherny⸗ 
scheff endlich begonnen sei. Er beabsichtigte, den Russen sofort eine 
Kommission zur einstweiligen Uebernahme der Regierung nachzusenden, 
um vollendete Tatsachen zu schaffen; aber seine zu Gutachten aufge⸗ 
forderten Raͤte) Schmerfeld, Schmincke und Lepel widerrieten 
diesem Plan, der nur mit Genehmigung der Allierten durchfuͤhrbar sei. 
Besonders Schmincke wies auf die „wenig zuvorkommende Art, welche 
die verbuͤndeten Maͤchte leider von dem Anfang des Kriegs an gegen 
Ew. Kurf. Durchlaucht bewiesen haben“, und auf „das mystische, zoͤgernde 
in dem Benehmen und Antworten ihrer Minister gegen Hochdero Ab⸗ 
gesandten“ hin, waͤhrend Lepel meinte, daß es uͤberhaupt sehr zweifel⸗ 
haft sei, ob Tschernyscheff bis Cassel vordringen werde, „und wenn ihm 
dies auch gelingt, so wird er sich doch schwerlich in dortiger Gegend 
behaupten koͤnnen.“ 
Als diese Gutachten vorlagen (5. Oktober), da haͤtte Tschernyscheff 
schon den wankenden Thron Jeromes uͤber den Haufen geworfen. Mit 
2300 Reitern war er von Bernburg aus am 283. September aufgebrochen 
und hatte unter Fritz v. Doͤrnbergs ortskundiger Fuͤhrung am 28. Cassel 
erreicht und uͤberrumpelt. Jerome floh in eiliger Flucht uͤber den 
Rhein, die Reste der westfaͤlischen Armee, von denen ganze Verbaͤnde 
schon vorher zu den Alliierten uͤbergegangen waren, liefen auseinander. 
Am 1. Oktober zog Tschernyscheff in Cassel ein unter dem Jubel des 
1) Der Geheime Rat v. Gayling (G. 288), der ebenfalls vom Kurfuͤrsten auf— 
gefordert wurde, sich ihm zur Verfuͤgung zu stellen, lehnte am 4. Mai von Baben⸗ 
hausen aus mit der Begrundung ab, er habe seit 1806 zu große Verluste gehabt und 
fuͤrchte, den Rest seines Vermoͤgens durch Annahme des Auftraas aufs Spiel zu stellen. 
Statt seiner kam Schmerfeld aus Hanau nach Prag. 
Losch, Kurfuͤrst Wilbelmel
	        
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