318 Beginn des Freiheitskriegs Wilhelm in Breslau 1815
Es ging wie ein Aufatmen durch Deutschland, soweit es nicht unter
dem Banne des großen Korsen stand. Als die Glocken das neue Jahr
1813 einlaͤuteten, da ließen die Hanauer auf offener Straße den Kaiser
Alexander und den Kurfuͤrsten von Hessen hochleben und verpruͤgelten
franzoͤsische Offiziere. In Cassel lief der Wirt der „Stadt London“
mit der Bibel umher und bewies den Leuten aus der Apolalypse, daß
die Stunde des Gerichts fuͤr das große Tier gekommen sei. Zu Prag
aber blieb man kaltbluͤtig, und der Kurfuͤrst meinte: „Man muß erst ein⸗
mal das Resultat des Zusammenbruchs dieser sogenannten Großen Ar⸗
mee abwarten und sehn, wie Rußland seinen Erfolg ausnutzt.“ Da⸗
gegen war der Kurprinz (damals in Prag, von wo er im November
1812 einen Besuch am kaiserlichen Hof in Wien machte) in leidenschaft⸗
licher Aufregung. Als die Nachricht von Yorcks Kapitulation und
kurz danach die von der Abreise des Koͤnigs von Preußen nach Schlesien
eintraf, da war er nicht mehr zu halten. Am 26. Januar begab er
sich nach Breslau und nahm im Goldenen Szepter regen Anteil an der
Errichtung des Luͤtzow'schen Freikorps, wofuͤr er zum Leidwesen seines
Vaters wieder 18000 fl. Schulden machte. Der Kurfuͤrst zoͤgerte, bis er
hoͤrte, daß der Kaiser Alexander in Breslau erwartet wurde. Dann
brach er am 7. Maͤrz auf, blieb aber in Reinerz und sandte den Oberst
b. Muͤller voraus, um erst sichere Kunde uͤber den definitiven Bruch
Preußens mit Frankreich einzuziehen und dem Kaiser Alexander ein
Truppenkorps von 5000 Mann anzubieten. Er war im Laufe der Zeit
so mißtrauisch gegen Friedrich Wilhelm III. geworden, daß er
dem Koͤnig noch nicht einmal jetzt den Entschluß zum Kriege zutraute.
Nach Muͤllers Ruͤckkehr setzte er seine Reise fort und traf am 16. Maͤrz,
dem Tag der preußischen Kriegserklaͤrung, in Breslau ein. Mit seinem
altmodischen, weiten Generalsrock und dem wohlgepflegten Zopf bot der
alte Feldmarschall unter den preußischen Generaͤlen in ihren neuen, engen
Uniformen und kurzgeschnittenen Haaren eine auffallende Exrscheinung
und wirkte, wie Boyen erzaͤhlt, wie ein Bote aus dem Grabe. Auch
er erkannte die preußische Armee kaum wieder, freute sich aber doch, als
man ihm zu Ehren ein Bataillon Garde vor ihm exerzieren ließ. Die
beiden Monarchen lehnten sein Anerbieten, mit einem eignen Korps als
Verbuͤndeter den Krieg mitzumachen, dankend ab, da dieses Korps ja
noch nicht existierte und seine Aufstellung in Ssterreich z. Zt. unmoͤglich
gewesen waͤre. Statt dessen sollte er eine halbe Million Taler in die
gemeinsame Kriegskasse zahlen, konnte aber nur eine allgemein gehal⸗
lene Zusicherung seiner Restitution, nicht dagegen das gewuͤnschte Ver⸗