Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Westfalens Finanznot Jerome und die hessischen Agnaten 315 
Vettern dienten dem Koͤnig Jerome, einer von ihnen war sogar west—⸗ 
faͤlischer Gesandter in Wien. 
In Cassel schien man sich an die neue Herrschaft gewoͤhnt zu haben, 
waͤhrend es im Lande, wie aus verschiedenen Anzeichen hervorging, unter 
der Asche der erstickten Insurrektionen noch glimmte. Allzu fest saß Koͤnig 
Jerome jedenfalls nicht auf seinem usurpierten Throne. Die Finanz- 
not seines Staates war offenkundig trotz des verschwenderischen Luxus 
am Hofe zu Cassel, und alle Versuche tuͤchtiger Finanzminister vermochten 
sie nicht zu uͤberwinden. Dabei griff man zu so kleinlichen Mitteln wie 
zur Beraubung des Sarkophags der Heil. Elisabeth, dessen beste Edel⸗ 
—A0 Ebenso verschwanden 
bei dem Besuch der Madame Moere Laetitia im Herbst 1811 allerhand 
wertvolle Stuͤcke aus dem Museum, und man erzaͤhlte sich, daß die alte 
Dame gesagt habe; »Ici il faut voler«. Mit ganz besonderem Ingrimm 
aber vernahm der Kurfuͤrst die Nachricht vom Brande des Casseler 
Schlosses (24. November 1811), „meines guten alten Schlosses, das 
seit 540 Jahren stand, in dem ich geboren bin, und dessen beide Fulda⸗ 
fluͤgel durch die Schuld der unwuͤrdigen Insassen) dieses ehrwuͤrdigen 
Denkmals in Flammen aufgingen“. 
Die Agnaten des kurfuͤrstlichen Hauses bewiesen mit wenigen Aus— 
nahmen der Fremdherrschaft gegenuͤber eine wuͤrdige Haltung, wie der 
Landgraf Victor Amadeus von Rotenburg, der den ihm von 
Jerome angebotenen Kammerherrnschluͤssel mit der stolzen Bemerkung 
ablehnte, daß er selber Kammerherren ernenne. Dagegen ließ sich Prinz 
Ernst Konstantin von Philippsthal zum westfaͤlischen Kron⸗ 
großkaͤmmerer machen, nachdem er schon vorher nach Doͤrnbergs Abfall 
die Fuͤhrung der Gardejaͤger uͤbernommen hatte. Seine Nichte Caro⸗ 
line, die Tochter des tapfern Verteidigers von Gaeta, wurde Palast⸗ 
dame der Koͤnigin Catharine und heiratete einen westfaͤlischen Obersten, 
den Grafen de la Ville sur Illon. „Was muß man erleben!“ schrieb 
entruͤstet die Herzogin von Gotha an ihren ebenso entruͤsteten Vater. 
Von anderem Schlag als dieser „unwuͤrdige Cousin“ war ein anderes 
Mitglied des Philippsthaler Zweiges, Prinz Ernst von Hessen⸗Phi— 
lippsthal-Barchfeld,“ der im September 1810 in Prag auftauchte, 
Er war Capitaͤn in der kurhessischen Garde gewesen, dann nach neun— 
1) Die schlechte Anlage neuer Heizungsrohre war die Ursache des Brandes, bei 
dem Jerome und seine Gemahlin in Lebensgefahr schwebten. 
2) * 1789 zu Barchfeld als Sohn des Prinzen Adolf (S. 128, Anm. 1), 7“ als 
russischer und englischer General a. D. 1850 z3u Herleshausen.
	        
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