312 sKurprinzlicher Ehezwist 1810 Affaͤre Beckedorff
verlangte die Einwilligung seines Vaters zu einer foͤrmlichen Scheidung,
da er Grund zur Eifersucht auf den Erzieher des Prinzen Fritz Dr.
Beckedorff!) zu haben glaubte, eine Begruͤndung, die angesichts seines
eigenen Verhaltens in puncto ehelicher Treue stark nach Pharisaͤertum
schmeckte. Der Kurfuͤrst wies diese Zumutung weit von sich, wollte nicht
einmal etwas von der Entlassung Beckedorffs hoͤren und schickte den
Sohn nach Gotha, damit die Mutter ihm den Kopf zurecht setze. Als
aber der Kurprinz unter dem Namen eines Herrn v. Bardeleben dort
ankam, da verweigerte die gothaische Regierung aus Furcht vor Napoleon
dem Schwager ihres Herzoges das Gastrecht. Der Minister v. Francken⸗
berg veranlaßte seine sofortige Wiederabreise unter dem Vorwand, daß
bei der Naͤhe des durch seine Treue zum kurfuͤrstlichen Hause bekannten
Schmalkalder Landes Demonstrationen zu befuͤrchten seien, ce que pour⸗
rait avoir de très mauvaises suites pour les habitants de ce pays,
wie die Herzogin Caroline auf die entruͤstete Beschwerde des Kur⸗
fuͤrsten uͤber diese schimpfliche Rezeption seines Sohnes zur Entschuldigung
schrieb. Der Kurprinz reiste nach Berlin zuruͤck und drangsalierte noch
monatelang seinen Vater mit den Scheidungsplaͤnen, gegen die dann
Schmerfeld und Schmincke mit einem subtilen Rechtsgutachten Stellung
nehmen mußten. Erst im Dezember wurde die Angelegenheit durch eine
Aussprache der beiden Gatten beigelegt. nachdem Beckedorff mit Ein—
willigung des Kurfuͤrsten entlassen worden war. Dieser hatte schließlich
doch seinem Sohne Recht gegeben, beschwor ihn aber, „nunmehro end⸗
lich alles fallen zu lassen und seine Frau mit Schonung und Liebe zu
behandeln.“ An Stelle Beckedorffs als Gouverneur des Prinzen Fritz
trat dann, da „ein hessisches Subjekt“ sich damals nicht fand, auf den
Rat Ancillons der preußische Masor Ludwig v. Below, der 10 Jahre
lang die Erziehung Friedrichs leitete.
Die Kurfürstin Caroline hatte ihre anfaͤngliche Absicht, nach
Daͤnemark oder Schleswig uͤberzusiedeln, endguͤltig aufgegeben. Sie lebte
die ganzen Jahre still und zuruͤckgezogen zu Gotha, erst im Schloß, dann
in einer eigenen Wohnung im ehemaligen Hause des beruͤhmten Staats⸗
rats Baron Grimm (f 1807), und genoß dankbar die liebende Fuͤrsorge
1) Ludolf Beckedorff aus Hannover (1778 — 1858), ein vielseitig gebildeter
Mann, wurde nach seiner Entlassung 1811 Erzieher des Erbprinzen von Anhalt-⸗Bern⸗
burg, eines andern Enkels des Kurfuͤrsten (Vergl. Kuͤgelgen, Jugenderinnerungen eines
alten Mannes). 1821 ins preußische Kultusministerium berufen, leitete er bis 1827,
wo er zum Katholizismus uͤbertrat, das preußische Volksschulwesen und wurde 1840
von Friedrich Wilhelm IV. geadelt.