Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Am Kaiserhof Badereisen Familie des Kurprinzen 311 
mein Incognito war voͤllig aufgehoben.“ Saͤmtliche Erzherzoͤge machten 
ihm Besuche: ihrem Beispiele folgten die Hofwuͤrdentraͤger und die 
Spitzen der Generalitaͤt und bemuͤhten sich, mit echt oͤsterreichischer Liebens 
wuͤrdigkeit den alten reichen Fuͤrsten zu umschmeicheln. Der ehrenvolle 
Empfang und die freundliche Aufnahme, die er bei fast sechswoͤchigem 
Aufenthalt am Hofe in Wien, Baden und Laxenburg durch saͤmtliche Mit— 
glieder des Kaiserhauses erfuhr, trugen nicht wenig dazu bei, seinen oͤster— 
reichischen Groll zu mildern, wie sie andrerseits auch auf seine Position 
in Prag, wohin er am 20. August zuruͤckkehrte, nicht ohne Einfluß waren. 
Hier konnte er sich jetzt nicht mehr uͤber Vernachlaͤssigung beschweren. Er 
geriet sogar zeitweise mehr, als ihm lieb war, in den Strudel des Prager 
Gesellschaftslebens, das, namentlich seit dem alle Staatspapiere auf ein 
Fuͤnftel entwertenden Reichsbankrott, starke Anforderungen an seinen sonst 
so sorgsam geschonten Geldbeutel stellte. 
Als sommerlichen Kuraufenthalt bevorzugte der Kurfuͤrst seit 1811 
die Baͤder Franzensbad und Teplitz und traf dort in diesem Jahre seine 
aͤlteste Tochter, die Herzogin Friederike von Bernburg. Die juͤngere, 
Caroline von Gotha, besuchte ihn im Oktober als „Graͤfin v. Kahla“ 
inkognito in Prag und feierte gluͤckliche Tage des Wiedersehns mit dem 
heißgeliebten Vater. Im naͤchsten Jahre traf der Kurfuͤrst beide Toͤchter 
mit der Familie des Kurprinzen in Eger, wo er besonders seinen Enkel 
Fritz ins Herz schloß. 
Der alte Fuͤrst hatte rechte Sorgen mit der Familie seines Sohnes. 
Kurprinz Wilhelm war nach uͤber zweijaͤhriger Trennung, waͤhrend 
der er sich zuletzt in Rostock aufgehalten hatte, im Dezember 1808 zu seiner 
Frau und seinen Kindern zuruͤckgekehrt und hatte nach Berlin einen 
Haufen Schulden mitgebracht. Umsonst mahnte ihn der Vater zu Ein⸗ 
schraͤnkungen „in dieser traurigen Zeit, wo wir alles verloren“, und klagte 
(12. Maͤrz 1809): „Ich habe seit vier Jahren keinen Heller Zinsen von 
Berlin gezogen, aus dem ganzen Rheinbunde erhalte gar nichts. Hier 
verliehre 409/0, wo soll es dann herkommen?“ Aber der Sohn wußte, 
was von diesen Klagen zu halten war, und kuͤmmerte sich wenig um 
die Ermahnungen. Schlimmer als seine ewige Geldverlegenheit war der 
haͤusliche Krieg, der bald nach der Vereinigung der Gatten wieder an⸗ 
gefangen hatte. Um Lappalien wie die, ob der kleine Fritz ohne Hut 
ausgehn duͤrfe, stritt man sich im Schlosse Schoͤnhausen mit einer Hart⸗ 
naͤckigkeit, die den Großvater, der als Schiedsrichter angerufen wurde, 
zur Verzweiflung brachte. Bald kam es aber noch schlimmer. 
Am 2. Juli 1810 erschien der Kurprinz auf einmal in Prag und
	        
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