310 Wilhelm und Oesterreich Besuch in Wien 1810
Soldaten, soweit sie nicht waͤhrend der Aufloͤsung desertierten. So fuͤhrte
der Kapitaͤn v. Natzmer seine ganze Grenadierkompagnie uͤber die
boͤhmische Grenze nach Sachsen, wo die Soldaten Dienst nahmen und
aach Spanien geschickt wurden, um als richtige Landsknechte nun fuͤr
Napoleon statt gegen ihn zu fechten.
Wilhelms Entruͤstung uͤber die »horrible perfidie« des Wiener
Kabinetts, das ihn trotz aller Versprechungen im Stich gelassen hatte,
war groß. Er wollte nicht einsehn, daß nur die Not den Kaiser zu
dem ungluͤcklichen Frieden gezwungen hatte, und schloß seine Memoiren
bon 1809 mit den Worten: La conduite du cabinet autrichien est
sans égale et mérite d'être notée pour l'instruction de mon fils.
Der Aufenthalt in Prag war ihm verleidet, und er trug sich eine Zeit
lang wieder mit dem Gedanken, nach Berlin uͤberzusiedeln, wohin in⸗
wischen der preußische Hof nach langer Abwesenheit zuruͤckgekehrt war.
Im Januar 1810 schrieb er deswegen an den General v. Koͤckeritz.
Als man aber dort erklaͤrte, erst Napoleons Zustimmung abwarten zu
muͤssen, und als der Koͤnig nicht einmal wagte, des Kurfuͤrsten Sohn
Wilhelm Hessenstein wieder in preußischen Dienst aufzunehmen, da zog
Wilhelm es doch vor, in Prag zu bleiben und hier das Ende seiner
Verbannung abzuwarten, das er taͤglich heißer und ungeduldiger ersehnte.
Einstweilen sah es freilich nicht so aus, als ob dies Ende nahe be⸗
vorstuͤnde. Napoleon besiegelte seinen Triumph uͤber das Haus Hster⸗
reich durch seine Vermaͤhlung mit der Erzherzogin Marie Luise
April 1810), die ihm den heißersehnten Thronerben aus echtem Zaͤsaren⸗
blut schenken sollte, ein Schritt, der, wie der Kurfuͤrst meinte, „jedes
deutsche Herz erschuͤtterte“ Nach der Hochzeit kamen Kaiser Franz
und seine Gemahlin fuͤr drei Wochen nach Prag, jedoch ohne den Kur—
fuͤrsten zu sehn, den ein neuer Gichtanfall ans Lager fesselte. Nach seiner
Benesung folgte er aber einer Anregung des Grafen Wrbna, indem er
im Juli d. Is. anlaͤßlich eines Kuraufenthaltes in Baden zum ersten
Male seit seiner Anwesenheit auf oͤsterreichischem Boden dem Kaiserpaar
seine Aufwartung machte. Der Empfang in Wien geschah, worauf
Wilhelm besondern Wert legte, mit allen einem Kurfuͤrsten gebuͤhrenden
Ehren. „Mein hiesiges Séjour“, schrieb er am 15. August an den Kur—⸗
prinzen, „wird durch die vorzuͤglichste Aufnahme des Hofes sehr angenehm
zemacht. Ich kann Dir keine idée davon machen, wie der Keyser und
die Keyserinn mich empfangen haben. Die erste Audientz erhielte sole⸗
nelle in der Burg allhier. Ich wurde durch Cammerhexren beym Aus⸗
steigen empfangen, die Schloßwacht machte die voͤllige honneurs und