Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

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Kurfuͤrst und Kurprinz 1809 
seelt sind. Die Voͤlker scheinen uͤberall brav und zu Opfern bereit — 
vieles ist zu hoffen, wenn in dieser Krisis die Fuͤrsten selbst sich an die 
Spitze stellen, um die zertruͤmmerten Fuͤrstenstuͤhle wieder aufzurichten, 
welches nur durch kuͤhnen Mut und schnelle Entschluͤsse erreichbar ist.“ 
Der kuͤhne Mut und die schnelle Entschlußfaͤhigkeit fehlten aber dem 
Kurfuͤrsten. Stein hatte nicht unrecht gehabt, als er in dem oben (G. 301) 
erwaͤhnten Brief an Wittgenstein von Wilhelms Unentschlossenheit und 
Habgier sprach. Bei der Finanzierung der Insurrektion hatte er in klein⸗ 
licher, seinen Mitteln in keiner Weise entsprechenden Art geknausert,) 
und nach den ersten Schlappen der Oesterreicher war es seine erste Sorge 
gewesen, seine Schaͤtze nach Olmuͤtz und Glatz in Sicherheit zu bringen. 
Ebenso konnte er jetzt nach dem Siege von Aspern, wo der Erz- 
herzog ihn aufforderte, seine eigne Person fuͤr die Wiedergewinnung 
seines Landes einzusetzen, sich zu keinem mutigen Entschlusse aufraffen. 
Dabei hatte er selber erst kurz vorher (9. Mai) an seinen Sohn, den 
Kurprinzen, geschrieben: „In der That muß alles jetzo dazu angewendet 
werden (unser Haus wieder empor zu bringen), es ist noch der letzte 
guͤnstigste Augenblick. Aber was ich 66 jaͤhriger Mann dabei ausstehe 
und durch welche Proben ich noch mich schwingen werde, das weiß der 
Himmel. Genug, es geschiehl hauptsaͤchlich fuͤr Dich und Deinen mir 
so theuern Fritz. So scheue ich nichts in der Welt.“ 
Daß der 67 jaͤhrige seine gichtischen Knochen nicht den Unbilden und 
Gefahren eines Abenteurerzuges auszusetzen wagte, mag begreiflich er— 
scheinen (sein Podagra zwang ihn kurz darauf zu einer Kur in Teplitz 
und Carlsbad), weniger begreiflich war, daß er nicht seinen Sohn, den 
Kurprinzen, an seiner Stelle mit dieser Aufgabe betraute, fuͤr die 
er selber zu alt und schwerfaͤllig war. Der Kurprinz war auch dazu 
bereit, erhielt aber auf sein Draͤngen nur die Antwort: „Sei versichert, 
daß ich den ersten guͤnstigen Augenblick nutzen werde, um Dich zu mir 
zu rufen. Ich dachte schon, diesem sehr nahe zu sein, allein es ist anders 
beschlossen worden und wir muͤssen uns den hoͤchsten Rathschluͤssen des 
Himmels fuͤgen.“ Es scheint aber, als ob er nur in krankhafter Eifer⸗ 
sucht den Thronfolger in keiner fuͤhrenden Stellung sehen mochte, ihn 
vielleicht auch nicht dazu fuͤr befaͤhigt hielt, sodaß der Kurprinz auffallender⸗ 
1) Doͤrnbergs Bruder Fritz, der im Fruͤhjahr nach Prag gegangen war, um Geld⸗ 
mittel vom Kurfuͤrsten zur Vorbereitung der Insurrektion zu erhalten, brachte von dort 
nur eine Anweifung auf 30000 Taler mit „wenn diese Plaͤne gelungen waͤren“. Doͤrn⸗ 
berg gab diese Anweisung, wie er erzaͤhlt, an Schmerfeld, der die Geschaͤfte des Kur⸗ 
fürsten besorgte. GBuͤlau, Geheime Geschichten 5, 415)
	        
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