Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Doͤrnbergs Aufstand 
303 
Kurze Zeit, nachdem Wilhelm das Hochgefuͤhl der ersten Parade 
aͤber die paar geworbenen Soͤldlinge genossen hatte, die den Keim seiner 
zukuͤnftigen Armee repraͤsentierten, kamen boͤse Nachrichten vom Kriegs⸗ 
schauplatze, die wie eine kalte Dusche wirkten. Am 22. April war die 
Schlacht bei Eckmuͤhl geschlagen, Regensburg von den Franzosen ge— 
genommen, und am selben Tage mißgluͤckte, was den Kurfuͤrsten noch 
naͤher anging, der Doͤrnbergsche Aufstand in Hessen. 
Wie weit der Kurfuͤrst bei diesem Unternehmen seine Hand im Spiel 
hatte, laͤßt sich nicht mehr feststellen, da seine Tagebuͤcher aus dieser Zeit 
jehlen und seine Memoiren nichts wesentliches daruͤber enthalten. Sicher 
ist nur, daß die Erhebung mit seinem Wissen und Willen geschah, wenn 
sie auch gegen seinen Wunsch zu fruͤh losbrach. Es war der alte Plan 
bon 1807, den man wieder aufgenommen haͤtte, der Plan, durch einen 
weit verbreiteten Aufstand in Norddeutschland, gestuͤtzt auf eine Landung 
der Englaͤnder, den Franzosen in den Ruͤcken zu fallen. Fuͤr Hessen 
hatte Ferdinand Wilhelm Caspar v. Doͤrn berg die Fuͤhrung uͤbernommen. 
Ehemals hessischer Gardecapitaͤn, dann in preußischen Diensten mit Bluͤchers 
Korps bei Luͤbeck gefangen genommen, war er 1807 mit Wittgenstein 
zusammen in England gewesen und haͤtte schon damals bei einer Zu⸗ 
sammenkunft mit dem Kurfuͤrsten in Schleswig dessen volle Zustimmung 
und Autorisation zu seinen Plaͤnen erhalten, an deren Ausfuͤhrung er 
aber erst nach seiner Ruͤckkehr nach Hessen und nach seinem halb er⸗ 
wungenen Eintritt in den westfaͤlischen Militaͤrdienst denken konnte. Die 
Vorbereitungen zu der Insurrektion fanden in Kurhessen einen ganz be— 
sonders guͤnstigen Boden. Hier hatte das Volk im ganzen genommen 
die aufgedrungene neue Regierung stets nur als eine unrechtmaͤßige 
Usurpation angesehn. Nie hatte der Kurfuͤrst seine Untertanen von 
ihrer Treupflicht entbunden, wie das der Koͤnig von Preußen getan hatte;: 
die uͤberwiegende Mehrzahl der Hessen betrachtete nach wie vor ihn 
allein als ihren rechtmaͤßigen Landesherrn. Wenn auch die neue Re⸗ 
gierung auf manche neuzeitliche Verbesserungen hinweisen konnte, so wollten 
die Hessen doch von den Franzosen nichts wissen, die das Land mit 
einer Anzahl neuer Gesetze und Verordnungen uͤberschwemmten, deren 
Sinn man nicht verstand. Mochten auch die Bewohner der Hauptstadt 
das lustige Leben des uͤppigen Koͤnigshofes nicht ungern sehn, soweit sie 
davon profitierten, das platte Land seufzte umsomehr unter dem Steuer⸗ 
druck und der verhaßten Konskription, raͤsonnierte uͤber die Verschwen⸗ 
dung und Luderwirtschaft des Hieronymus und verglich damit die haus⸗ 
haͤlterische Sparsamkeit und wuͤrdige Einfachheit des alten Hofes. Unter
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.