Doͤrnbergs Aufstand
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Kurze Zeit, nachdem Wilhelm das Hochgefuͤhl der ersten Parade
aͤber die paar geworbenen Soͤldlinge genossen hatte, die den Keim seiner
zukuͤnftigen Armee repraͤsentierten, kamen boͤse Nachrichten vom Kriegs⸗
schauplatze, die wie eine kalte Dusche wirkten. Am 22. April war die
Schlacht bei Eckmuͤhl geschlagen, Regensburg von den Franzosen ge—
genommen, und am selben Tage mißgluͤckte, was den Kurfuͤrsten noch
naͤher anging, der Doͤrnbergsche Aufstand in Hessen.
Wie weit der Kurfuͤrst bei diesem Unternehmen seine Hand im Spiel
hatte, laͤßt sich nicht mehr feststellen, da seine Tagebuͤcher aus dieser Zeit
jehlen und seine Memoiren nichts wesentliches daruͤber enthalten. Sicher
ist nur, daß die Erhebung mit seinem Wissen und Willen geschah, wenn
sie auch gegen seinen Wunsch zu fruͤh losbrach. Es war der alte Plan
bon 1807, den man wieder aufgenommen haͤtte, der Plan, durch einen
weit verbreiteten Aufstand in Norddeutschland, gestuͤtzt auf eine Landung
der Englaͤnder, den Franzosen in den Ruͤcken zu fallen. Fuͤr Hessen
hatte Ferdinand Wilhelm Caspar v. Doͤrn berg die Fuͤhrung uͤbernommen.
Ehemals hessischer Gardecapitaͤn, dann in preußischen Diensten mit Bluͤchers
Korps bei Luͤbeck gefangen genommen, war er 1807 mit Wittgenstein
zusammen in England gewesen und haͤtte schon damals bei einer Zu⸗
sammenkunft mit dem Kurfuͤrsten in Schleswig dessen volle Zustimmung
und Autorisation zu seinen Plaͤnen erhalten, an deren Ausfuͤhrung er
aber erst nach seiner Ruͤckkehr nach Hessen und nach seinem halb er⸗
wungenen Eintritt in den westfaͤlischen Militaͤrdienst denken konnte. Die
Vorbereitungen zu der Insurrektion fanden in Kurhessen einen ganz be—
sonders guͤnstigen Boden. Hier hatte das Volk im ganzen genommen
die aufgedrungene neue Regierung stets nur als eine unrechtmaͤßige
Usurpation angesehn. Nie hatte der Kurfuͤrst seine Untertanen von
ihrer Treupflicht entbunden, wie das der Koͤnig von Preußen getan hatte;:
die uͤberwiegende Mehrzahl der Hessen betrachtete nach wie vor ihn
allein als ihren rechtmaͤßigen Landesherrn. Wenn auch die neue Re⸗
gierung auf manche neuzeitliche Verbesserungen hinweisen konnte, so wollten
die Hessen doch von den Franzosen nichts wissen, die das Land mit
einer Anzahl neuer Gesetze und Verordnungen uͤberschwemmten, deren
Sinn man nicht verstand. Mochten auch die Bewohner der Hauptstadt
das lustige Leben des uͤppigen Koͤnigshofes nicht ungern sehn, soweit sie
davon profitierten, das platte Land seufzte umsomehr unter dem Steuer⸗
druck und der verhaßten Konskription, raͤsonnierte uͤber die Verschwen⸗
dung und Luderwirtschaft des Hieronymus und verglich damit die haus⸗
haͤlterische Sparsamkeit und wuͤrdige Einfachheit des alten Hofes. Unter