Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Steins Entlassung Krieg von 1809 301 
lands mobil zu machen suchte. Napoleon aber hatte, ehe er nach Spanien 
ging, einen Brief Steins an den Fuͤrsten Wittgenstein aufgefangen, 
worin von dem bevorstehenden Krieg und den Insurrektionsplaͤnen in 
Hessen und Westfalen die Rede war!). Die Folge der Veroͤffentlichung 
dieses kompromittierenden Schriftstuͤckes im Moniteur war die Entlassung 
des Ministers. Von Madrid aus im Namen Napoleons geaͤchtet, 
mußte der „nomméè Stein“ aus Preußen fliehn und fand eine erste Zu— 
fluchtsstaͤtte ebenfalls in Prag, dem damaligen Zentrum der antifran⸗ 
zoͤsischen Politik. 
Steins Entlassung war ein schwerer Schlag fuͤr die geplante Erhebung 
Deutschlands, da man nun auf den Beistand Preußens endguͤltig verzichten 
mußte. Die ganzen Plaͤne erfuhren eine starke Verzoͤgerung. In ster⸗ 
reich „simulierte“ man so lange bis es zu spaͤt war, und entschloß sich 
erst zu entscheidendem Handeln, als Napoleon siegreich aus Spanien 
zuruͤckkam. „Man setzte dem Fluge des Adlers den Gang der Schnecke 
entgegen“, wie Stein an Gneisenau schrieb. Erst als die Massen 
des franzoͤsischen Heeres und seiner Verbuͤndeten in Sachsen, Franken 
und an der Donau zusammengezogen waren, gingen am 9. April 1809 
die ÖÄsterreicher uͤber den Inn und begannen den Krieg. Den Aufstands— 
versuchen aber, die den oͤsterreichischen Feldzugsplan unterstuͤtzen sollten, 
fehlte es an einer einheitlichen Leitung, die der Erzherzog Carl 
vergebens anstrebte. Dieser große Bruder des „guten Kaisers Franz“ 
war die Seele der ganzen Freiheitsbewegung, die in diesen Tagen ganz 
oͤsterreich ergriffen hatte und in dem Aufstand der Tiroler gipfelte. 
Man rechnete in Wien stark auf die taͤtige Hilfe der vertriebenen 
deutschen Fuͤrsten, die in Österreich eine Zuflucht gefunden hatten. Im 
Januar waren die Generaͤle Wallmoden und Wittgenstein im Auftrage 
Stadions noch einmal in Prag gewesen, um den Kurfuͤrsten zur Teil⸗ 
nahme am Kriege zu gewinnen, was keine große Muͤhe kostete. Am 
4. Maͤrz schrieb Wilhelm an den Erzherzog Carl und erbot sich 
ein Korps von 4000 Mann zu errichten und sich damit am Kriege 
zu beteiligen, ebenso wie das der damals auch in Prag eintreffende 
Herzog von Braunschweig beabsichtigte. Der Erzherzog schickte einen 
1) Die Veroͤffentlichung des Briefes hatte die Verhaftung mehrerer kurfuͤrst- 
licher Vertrauensleute in Hessen zur Folge, worunter besonders die von Buderus 
in Hanau Wilhelm mit banger Sorge erfuͤllte. Damals wurde auch die in Cassel zu⸗ 
ruͤsgebliebene Frau v. Th uͤmmel, die Schwester der Graͤfin Schlotheim, in deren Hause 
ich die Anhaͤnger des Kurfuͤrsten zusammenfanden, von der westfaͤlischen Regierung 
ausgewiesen, die Verhafteten aber, da man ihnen nichts nachweisen konnte, bald wieder 
n Freibeit gesetzt.
	        
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