Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Die Prager Getreuen Graͤfin Schlotheim 297 
seine taͤglichen Begleiter und Schachgenossen, von denen Thuͤmmel, der 
durch seine Frau, eine Schwester der Graͤfin Schlotheim, dem Kurfuͤrsten 
gewissermaßen verwandtschaftlich nahe stand, zugleich die Pflichten eines 
Hofmarschalls mit der gewuͤnschten Pedanterie versah. Dazu kam 1810 
noch der Oberst Engelhardt!) von der Artillerie, den der Kurfuͤrst 
aicht nur um seiner Treue, sondern auch als Spezialisten des Uniform⸗ 
wesens schaͤtzte und 1811 als einzigen Begleiter mit auf sein Landgut 
Zatory nahm. 
Von den nichtmilitaͤrischen Prager Getreuen waren die bedeutendsten 
der Reg.Rat Schmerfeld?) und der Kriegsrat Schmincke,') beide 
durch treue Anhaͤnglichkeit an seine Person gefesselt und nachdem die 
Casseler Minister) ihre Funktionen eingestellt hatten, gewissermaßen deren 
Nachfolger als politische Berater des Kurfürsten. Sie waren schon in 
Holstein oͤfters bei ihm gewesen und zu verschiedenen Missionen benutzt 
worden, hatten dann die Aufgabe, die Verbindung mit Hessen aufrecht 
zu erhalten, bis die westfaͤlische Regierung sie verfolgte und endguͤltig 
aus dem Lande trieb. 
Erst am 14. Oktober 1808 kam die Graͤfin Schlotheim mit 
hren Kindern in Begleitung Schminckes von Itzehoe nach Prag. Der 
Kurfuüͤrst empfand beim Wiedersehn seiner Freundin „die ersten gluͤcklichen 
Augenblicke seit langer Zeit“. Bis dahin hatte er sich in Prag ziemlich 
einsam und verlassen gefuͤhlt. Ihm fehlte der rege gesellschaftliche Ver⸗ 
kehr, den er zuletzt in Holstein gehabt hatte, und es dauerte auch noch 
einige Zeit, bis er dafuͤr Ersatz fand. „Selten, daß jemand zu mir 
kommt, nur von Zeit zu Zeit ein Militaͤr“, war seine wiederholte Klage. 
Abwechslung bot nur der Besuch des Theaters, das unter Carl Liebichs 
keitung seine goldene Zeit hatte und damals nach Tiecks Urteil die beste 
deutsche Buͤhne war. Die italienische Oper, die Mozarts Don Giovanni 
zuerst aufgefuͤhrt hatte, war zwar eingegangen, dafuͤr dirigierte Wenzel 
1) Wilhelm Engelhardt (1759 — 1818), Kommandeur des Artillerieregimentes, 
1809 anlaͤßlich des Doͤrnbergschen Aufstandes laͤngere Zeit zu Mainz in Haft gehalten, 
kam nach seiner Freilassung nach Prag. 1815 fuͤhrte er zeitweise den Oberbefehl uͤber 
das Norddeutsche Armeekorps anstelle des erkrankten Generals v. Kleist. 
2) Georg Schmerfeld (1759 -1823) „ein herrlicher, selbstaͤndiger Mann“ nach 
dem Urteil des Kurfuͤrsten, der ihn 1817 adelte. Verfasser des Verfassungsentwurfs 
hon 1816, starb als Minister der Justiz und des Innern. 
3) Friedrich Christoph v. Schmincke (1775 - 1845), als Geh. Kabineitssekretar 
des Kurfürsten geadeit, 1823 —30 Minister des Auswaͤrtigen und des kurfuͤrstlichen 
dauses. 
4) Beide starben damals kurz nacheinander, Baumbach am 19. Sept. Waitz am 
14. Oktober 1808.
	        
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