Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Residenz des Kurfuͤrsten zu Prag 
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lich die Kleinseite auf dem linken Moldauufer, eine halbe Bergstadt mit 
der uͤberragenden kaiserlichen Burg des Hradschin, zu dessen Fuͤßen 
Wallenstein und die ersten Familien des boͤhmischen Hochadels ihre Stadt⸗ 
schloͤsser gebaut hatten, gehoͤrte schon damals zu den besuchtesten Zielen 
fremder Reisender. Hier hatte auch der landfluͤchtige Hessenfuͤrst, dessen 
Beschicke wir verfolgen, eine neue Heimstaͤtte gefunden, nachdem er einige 
Tage im Gasthofe zum Erzherzog Carl gewohnt haͤtte. 
Der erste Eindruck, den er nach ermuͤdender Fahrt von Carlsbad 
„uͤber entsetzliche Berge“ von Boͤhmens Hauptstadt erhielt, war nicht 
zuͤnstig gewesen, und er war froh, als er aus dem „laͤrmenden Wirths⸗ 
haus“, wo das naͤchtliche Fahren in den belebten engen Gassen ihm den 
Schlaf raubte, in die von ihm gemietete Wohnung uͤbersiedeln konnte. 
Sie lag am Waͤlschen Platz im ersten Stock des fuͤrstlich Liechten— 
steinschen Palais), gegenüber der Nikolaikirche, wo der Kurfurst sich 
„fuͤrstlich logiert und eingerichtet“ fand. Durch einen schriftlichen Befehl 
an den als Hofmarschall fungierenden Fluͤgeladjutanten Major v. Thuͤmmel 
wurde hier am 1. Sept. 1809 die „neue Hofoͤkonomie angefangen und 
Prag zum kurfuͤrstlichen Standquartier declarirt“. Drei Jahre wohnte 
Wilhelm im Liechtensteinschen Palais. Als aber dessen neuer Besitzer, 
Graf Ledebur, ihm die Miete steigerte (er verlangte angeblich die horrende 
Summe von 14800 fl.), da zog der Kurfuͤrst es vor, sich ein eigenes 
Haus in Prag zu erwerben, das er im Mai 1811 nicht weit von der 
bisherigen Wohnung im Palais de Courlande in der Karmeliter⸗ 
gasse?) fand. Der Kaufpreis betrug nur 30000 Thaler, dabei war es 
das „schoͤnste Haus von Prag“ mit 4 großen Saͤlen und 64 heizbaren 
Zimmern. Schon vorher (Maͤrz 1810) hatte er sich am Hradschin von 
der Graͤfin Schlick einen Garten?) fuͤr 25 800 fl. gekauft, der im Mai 
1812 durch den Ankauf des Nachbargutes Zatory (fuͤr 51720 fl.) er⸗ 
weitert wurde, ihm als regelmaͤßiger Sommeraufenthalt diente und ein 
stattliches, dabei ertragsreiches Besitztum bildete. 
N In neuerer Zeit Gebaͤude des k. k. Generalkommandos. 
2) Ecke Dominikanergasse, gegenuͤber der Post. Das Haus gehoͤrte fruͤher dem 
etzten Herzog Peter von Kurland, der 1792 das boͤhmische Inkolat und die Herr⸗ 
schaft Nachod erwarb, ehe er 1795 abdankte (T7 1800). Seine Witwe, die liebenswuͤr⸗ 
dige und geistreiche Dorothea, geb. Graͤfin Medem, hatte der Kurfuͤrst in Karlsbad 
kennen gelernt. Die Uebersiedelung erfolgte am 1. August 1811. Im Nachbarhause 
wohnte die Prinzessin Rohan, deren Familie spaͤter auch das kurfuͤrstliche Palais er⸗ 
warb. Gegenwaͤrtig ist darin das neue boͤbmische Ministerium fuͤr Schulwesen und 
Volksbildung untergebracht. 
3) Im Februar 1811 schenkte ihm der Kaiser Franz mehr als 100 exotische Baͤume 
fuͤr den Anbau in seinem Garten.
	        
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