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Flucht von Itzehoe nach Prag 1808
als Badereise nach Dobberan angekuͤndigt wurde, wo der Kurprinz sich
schon einmal mit seiner Familie getroffen hatte. Um den Schein der
Flucht noch mehr zu verdecken, blieb die Graͤfin Schlotheim mit den
Kindern und dem ganzen Haushalt in Itzehoe, das der Kurfuͤrst am
20. Juli 1808 endguͤltig verließ. Vor Ratzeburg wurde die offizielle
Reiseroute geaͤndert. Nur der Kurprinz ging uͤber Hamburg nach
Dobberan, waͤhrend sein Vater den Weg uͤber Moͤlln, Buͤchen durch
die Priegnitz und Altmark einschlug. In Genthin, wo zwei franzoͤsische
Regimenter lagen, zerbrach der Wagen mit den mitgefuͤhrten Wert⸗
papieren und Pretiosen, die auf offenem Markte umgepackt werden
mußten. Die dabeistehenden Franzosen ahnten zum Gluͤcke nichts von
dem kostbaren Inhalt, und die Reise konnte ohne weiteren Unfall uͤber
Zerbst, Dessau, Leipzig und Zwickau nach Boͤhmen fortgesetzt werden.
Am 28. traf Wilhelm in seinem vorlaͤufigen Reiseziel im Weißen Loͤwen
zu Carlsbad ein, um sich zunaͤchst durch eine langentbehrte Badekur
von den ausgestandenen Sorgen zu erholen. Hier traf er viele fuͤrstliche
Standesgenossen, darunter seine aͤlteste Tochter, die Herzogin Friederike
von Bernburg, mit der er viele Ausfluͤge unternahm, bis die aus Wien
eintreffende Antwort die endguͤltige Übersiedlung nach Prag entschied.
Am 26. August kam der Kurfuͤrst in der boͤhmischen Hauptstadt an,
um hier, umgeben von wenigen Getreuen, das Ende der Fremdherrschaft
abzuwarten.
Ein staͤrkerer Kontrast als der zwischen dem kleinen, stillen holsteinischen
Landstaͤdtchen, aus dem der Kurfuͤrst kam, und der großen Moldaustadt
mit ihrem großstaͤdtisch pulsierenden Leben und Treiben ließ sich kaum
denken. Prag zaͤhlte damals gegen 80 000 Einwohner und gehoͤrte nach
allgemeiner Ansicht zu den schoͤnsten Hauptstaͤdten Deutschlands: denn
daß Libussas Gruͤndung nicht zu Deutschland gehoͤren solle, wagte da⸗
mals noch niemand zu behaupten. „Unbeschreiblich ist der Eindruck“,
schrieb ein damaliger Reiseschriftsteller, „welchen Boͤhmens Hauptstadt
auf den Fremden macht. Am rechten Ufer der Moldau, auf einer weiten
Flaͤche sich ausdehnend, erhebt sie sich am linken Ufer terassenartig zum
Gipfel der Berge. Wir sehen einen breiten Strom mit Fahrzeugen und
Inseln, eine antike, große Bruͤcke, geschmuͤckt mit kolossalen Bildnissen;
eine Menge Kirchen und Kloͤster mit glaͤnzenden Turmspitzen; praͤchtige
Helmdaͤcher und ungeheure Palaͤste, die der Ewigkeit trotzen.“ Nament-