292 Franzosen in Holstein Tod Ehristians VII. 1808
kennen ließ. Den Kurfuͤrsten erkannte er kaum, kuͤmmerte sich nicht um
ihn, und Wilhelm war froh, als die peinliche Festtafel zu Ende war.
Von Rendsburg fuhr er nach Gottorp, wo die Stimmung nach der
Kapitulation von Kopenhagen sehr gedruͤckt war, und fing nun an,
seine hier deponierten Kapitalien zu packen und in der Stille alle An⸗
stalten zur Flucht zu treffen, uͤber deren Ziel er sich nur noch nicht klar
war. Ende Oktober war er in Altona, Blankenese und vermittels eines
spanischen Passes, den ihm Lawaetz besorgte, in Hamburg, um Er—⸗
kundigungen uͤber den bevorstehenden Einmarsch Bernadottes in Hol—⸗
stein einzuziehen. Hier besichtigte er die Sehenswuͤrdigkeiten der Stadt,
besuchte das Theater, sah spanische Truppen „zum Ekeln abscheulich“
exerzieren, traf zu seiner Freude Mensing und Thorbecke mit ge—
retteten Kapitalien aus Eisenach und Frankfurt und gab dem nach
Berlin reisenden Fuͤrsten Wittgenstein Auftraͤge dorthin mit. Der
gefuͤrchtete Einmarsch der Franzosen verzoͤgerte sich indessen noch einige
Zeit, und da der daͤnische Kronprinz ebenso wie Bourrienne dem
Aurfuͤrsten versicherte, daß er von Bernadotte nichts zu befuͤrchten habe,
so wurden die Fluchtplaͤne wieder aufgeschoben, aber die Koffer blieben
gepackt. Als dann am 5. Maͤrz 1808 die Franzosen die Grenze uͤber⸗
schritten, da zog Wilhelm es doch vor, ihnen auszuweichen, und begab
sich mit dem Kurprinzen, der von Gottorp gekommen war, nach Gluͤck⸗
stadt. In einem elenden Quartier verbrachten Vater und Sohn hier
‚ehn Tage, als am 13. Maͤrz auf einmal die Glocken zu laͤuten be—
gannen und den Tod Koͤnig Christians VII. verkuͤndigten. J
Der Thronwechsel in dieser kritischen Zeit vermehrte die Sorgen und
das Gefuͤhl der Unsicherheit, zumal da der neue Koͤnig Friedrich VI.
als nunmehriger Verbuͤndeter Napoleons auf diesen Ruͤcksicht nehmen
mußte und gelegentlich durchblicken ließ, daß ihm der Aufenthalt des
Kurfuͤrsten auf daͤnischem Boden unbequem war. Bei der Geburt einer
kleinen Prinzessin wurde der kurfuͤrstliche Oheim zwar zu Gevatter ge⸗
heten, aber aus Scheu vor Napoleon nicht zur Taufe eingeladen, wes—
halb Wilhelm auch die Teilnahme an der Beisetzung Christians VII.
ablehnte. Es kraͤnkte ihn uͤberhaupt, daß man ihn in. Daͤnemark als
bloßen Privatmann behandelte und ihm nicht einmal eine Schildwache
bors Haus postierte. Auf seinen Spaziergaͤngen und Ausfahrten wurde
der alte Fuͤrst als solcher oft gar nicht erkannt, „da gar kein Unterschied
ist, selbst mit der gewoͤhnlichen Buͤrgersklasse“. Bei seinem Sohne konnte
er sich das schon erklaͤren, der hatte sich ja zu seinem großen Leidwesen
den Zopf abgeschnitten, „um nach der Mode unsrer Feinde zu erscheinen“.