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Napoleon in Gotha 1807
berloren hatte. Der gothaische Minister v. Franckenberg — dem
Kurfuͤrsten von seiner Kopenhager Zeit her in unangenehmer Exrinnerung
— ersparte ihr die Demuͤtigung. Er hielt es nicht fuͤr opportun, die
Laune des hohen Gastes zu truͤben, und hintertrieb ihre Zuziehung zu dem
Empfang des Kaisers. Trotzdem saß sie zwei Tage lang in fuͤrchterlicher
Spannung auf dem Sprung und blieb, als Napoleon am 24. Juli unter
großen Feierlichkeiten in Gotha einzog, bis nach Mitternacht in ihren
steifen Staatskleidern auf, in der steten Erwartung, gerufen zu werden.
Aber man rief sie nicht, und was sie am andern Morgen von ihrer
Tochter unter Traͤnen der Scham und Empoͤrung hoͤren mußte, genuͤgte
ihr, um sich Gluͤck zu wuͤnschen, an der Empfangsfeier im Friedenstein
aicht teilgenommen zu haben. Napoleon hatte sich um die Gemahlin
seines Wirtes, fuͤr dessen krankhafte Bewunderung er nur Verachtung
—D
zogin von Meiningen nach ihrer Familie befragt. In der Hoffnung,
eine aͤhnliche Frage zu erhalten, um dann ihren Wunsch anbringen zu
koͤnnen, stieß die Herzogin Caroline einen tiefen Seufzer aus, worauf
Napoleon sich zu ihr umwandte und kaltlaͤchelnd sagte: „Vous souf⸗
frez, c'est de la chaleur“ und sich dann nicht weiter um sie kuͤmmerte.
Erst bei Tisch, wo Caroline zwischen Napoleon und seinem Bruder
Jerome saß, wagte sie ihre Bitte betr. der Mutter zu aͤußern. Na⸗
poleon fragte: „Wer ist Ihre Mutter?“ und auf die Antwort: „Die
Kurfuͤrstin von Hessen geb. Prinzessin von Daͤnemark“, versetzte er barsch:
„C'est impossible. Le sort de la Hesse est décidéè, tout est ar⸗
rangé. La Hesse s'esst conduite indignement contre une nation
aussi grande que la France.“ Dabei machte er ein so wuͤtendes
BGesicht, das Caroline nicht weiter zu bitten wagte. So schrieb die
Herzogin, die in dieser Zeit an der Seite ihres napoleonbegeisterten Ge⸗
mahles schwere Stunden durchzumachen hatte, an ihren Vater.
Trotz dieser wenig ermutigenden Nachrichten hoͤrte der Kurfuͤrst nicht
auf, noch im letzten Augenblicke alle erdenklichen Schritte zu versuchen,
um seine Lage zu verbessern. Gayling)) wurde nach Paris geschickt,
und statt des Generalmajors v. Lehsten nahm Graf Stackelberg einen
Brief und ein ausfuͤhrliches Memoire des Kurfuͤrsten fuͤr den Kaiser
Alexander mit nach Petersburg. Aber auch diese Hoffnung schlug fehl.
Einer Deputation der hanauischen Ämter, die am 24. Juli 1807 den
1) Ludwig Wilhelm Gayling v. Altheim (1758 -1847) aus Babenhausen,
wurde von Wilhelm oͤfters zu diplomatischen Sendungen verwandt. Er starb als Ge⸗
heimer Rat und Oberhofmeister zu Hanau.