Friede von Tilsit 1807
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Weimar fuͤr ihn an den Kaiser Alexander geschrieben habe. Aber diese
zuversichtliche Stimmung hielt nicht lange an. „Mein Herz wird taͤg⸗
lich schwerer“ und „meine Unruhe waͤchst“, schrieb er am 24. und 25.
und erwog in diesen Tagen, ob er nicht doch noch persoͤnlich als Bitt⸗
steller zu Napoleon gehn sollte. Graf Carl Rantzau erbot sich, nach
Altona zu gehn und Bourrienne deswegen zu sondieren. Es war zu
spaͤt. Am Sonntag den 26. Juli kamen Malsburg und Starckloff aus
Altona mit der Schreckenspost der Tilsiter Friedensbedingungen, die den
Kurfuͤrsten wie ein Keulenschlag trafen. „Schrecklichster aller Tage!“,
schrieb er in sein Tagebuch. „Ich bin der Regierung entsetzt.
Hessen, mein liebes Hessen zum Königreich Westphalen ge—
schlagen ... Mein Haus hat 5421) Jahre seit Heinrich dem Kinde
ununterbrochen durch 21 Regenten regiert, mit mir auf dem hoͤchsten
Bipfel, und nun total aufgehoͤrt! O Gott, staͤrke mich, dieses Ungluͤck
so zu ertragen, wie Du es verlangst und ohne Murren!“
Es war jedoch nicht seine Art untaͤtig zu klagen und sich der Ver—
zweiflung hinzugeben. Er fand fogar bald wieder Worte des Trostes
und der Ermutigung fuͤr die Kurfuͤrstin und den Kurprinzen, der sich
ganz verzweifelt geberdete. Noch war ja auch nicht alle Hoffnung ver⸗
loren, so lange der Friede mit England ausstand, an dessen Koͤnig sich
Wilhelm jetzt noch einmal wandte. Wittgenstein sollte in London
bleiben zur Unterstuͤtzung des hessischen Geschaͤftstraͤgers Lorenz, der
Canning ein Memoire uͤberreichen und die Restitution des Kurfuͤrsten
noch vor dem Friedensschluß fordern sollte. Wittgenstein war aber
schon auf der Heimreise und brachte am 11. August außer einigen
belles assurances vom Koͤnig und einer Einladung des Prinzen von
Wales nach Carltonhouse nichts Greifbares mit. Dann wollte der
Kurfuͤrst seinen Bruder Friedrich nach Paris als Bittsteller schicken,
doch die naͤchsten Erfahrungen ließen auch diesen Weg als ungangbar
scheinen.
Zwei Tage nach Wittgensteins Ruͤckkehr kam naͤmlich die Herzogin
von Weimar mit Briefen aus Gotha. Dort hatte sich Rapoleon von
Erfurt aus angemeldet, und der Kurfuͤrst hatte seine Gemahlin gebeten, eine
Unterredung mit dem Usurpator zu suchen. Es war eine schwere Auf—
gabe fuͤr die ahnenstolze Daͤnenprinzessin, sich vor dem Advokatensohn
als Bittstellerin zu demuͤtigen, um so schwerer als die alte Frau die
schuͤchterne Befangenheit ihrer Jugend im Verkehr mit Fremden nie
y die ubrigens falsche Zahl ist mehrfach korrigiert, muß beißen 560. Die ge—
sperrten Saͤtze vom Kurfuͤrsten unterstrichen.