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Stimmung des Kurfuͤrsten
seit dem November 1806 eine große Wohlfeilheit in der ganzen Graf—
schaft herrschte, und die Preise fast um ein Drittel gefallen waren. „Der
groͤßte Verlust der Grafschaft ist die Entbehrung ihres verehrtesten
Landesherrn“, so versicherte der Advocatus fsisci Schrader, der dem
Kurfuͤrsten ein ausfuͤhrliches Memoire uͤber die Okkupation sandte.
Wilhelm war sehr empfaͤnglich fuͤr solche Kundgebungen der Liebe
und Anhaͤnglichkeit, die auch die aus Hessen eintreffenden Besucher zahl⸗
reich uͤberbrachten. Namentlich die einfachen Soldaten, die den weiten
Weg nach Holstein nicht gescheut hatten, um ihren Landesherrn
wieder zu sehn, wurden gern von ihm empfangen und meist nicht un—
beschenkt!) entlassen. Aber allmaͤhlich wurden die Nachrichten und Be—⸗
suche seltener, und der Kurfuͤrst fing an zu klagen: „Sie fangen an,
sich an meine Entfernung zu gewoͤhnen. Kein hessisches Blut gilt nicht
mehr!“ Dann suchte er Trost in seiner Bibel und im Gebet: denn
„ich habe keine Hoffnung als zu Gott dem Allmaͤchtigen, Er wirds
allein bestimmen. Ich bin ruhig in meinem Erloͤser Jesus Christus.“
Besonders quaͤlte ihn auch die Untaͤtigkeit, zu der er, der an regelmaͤßige
Arbeit Gewoͤhnte, verurteilt war. Deshalb suchte er „durch allerhand
Beschaͤftigung sein Gemuͤth zu stillen.“ Er fing wieder an zu malen
und zu zeichnen, machte viele Ausfluͤge in die Marschen zu Fuß und
zu Pferd, arbeitete im Garten, ordnete seine Medaillen und seine kleine
Bibliothek und beschaͤftigte sich mehr als ihm gut war, mit der Ver—
waltung seiner gexretteten Kapitalien, wobei ihm der Kriegsrat Knatz
zur Hand ging?).
Die Zeit war nicht dazu angetan, ihn zur Seelenruhe kommen zu
lassen. Die mit Ungeduld erwartete Nachricht von einer Hilfsaktion der
Englaͤnder blieb aus, statt dessen kamen immer truͤbere Nachrichten vom
preußischen Kriegsschauplatz, wo sich am Ufer des Niemen auch das
Schicksal Kurhessens entschied. Der erwartete Friedensschluß bot immer
noch einen Schimmer von Hoffnung, an den sich der Kurfuͤrst klammerte.
„Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß noch alles gut gehen wird“,
meinte er am 8. Juli 1807, als er hoͤrte, daß die Erbprinzessin von
1) So erhielt der Capitain d'armes Weber vom Rgt. Kurfuͤrst 4 Dukaten,
Feldwebel Naumann von der leichten Brigade 4 Speciestaler, Korporal Alles von
den Carabiniers und Trompeter Liphard von den Gensdarmes 2 Dukaten. Faͤhn—
richs und Leutnants erhielten je 6— 12 Dukaten. Die Witwe des erschossenen Ser—
geanten Schumann erhielt durch den Feldwebel Brand 6 Dukaten, Schreiner Prevot
in Cassel, der dessen Leiche barg, 4 Louisdor.
2) Buderus war nur voruͤbergehend in Holstein und hielt sich meist in Hanau auf.
Zeitweise von den Franzosen verhaftet, wurde er wieder freigelassen und nahm nach
wie vor an des Kurfuͤrsten Finanzverwaltung teil.