Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Nachrichten aus Hessen 1807 
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Welche Hoffnungen dies waren, bezeugte ein Brief des Hofpredigers 
Ernst, in dem es hieß: „Taͤglich steigen die heißesten Wuͤnsche aus 
allen Herzen von den Kindern bis zu den zitternden Greisen zum Him⸗ 
mel empor, daß er uns unsern Kurfuͤrsten bald wieder schicken moͤge. 
Wie manchen ehrlichen Bauer und Buͤrger habe ich schon die Haͤnde 
falten und diesen Wunsch zum Himmel emporschicken sehn.“ Von Schles— 
wig waren der Landgraf Carl und der Kurprinz, aus Cassel der Hof— 
marschall Graf Bohlen erschienen, und als bei der Festtafel die Ge— 
sundheit Wilhelms unter Kanonendonner ausgebracht wurde, da standen 
dem leicht Gexuͤhrten die Traͤnen in den Augen. „Gott wird mich wie 
Joseph wieder zu Ehren bringen“, war seine feste Hoffnung. 
Bis dahin hatte er noch in staͤndigem, nur durch die Entfernung 
und die Verkehrsschwierigkeiten verzoͤgerten Verkehr mit den Treuen in 
Hessen gestanden. Die abgesetzten Minister berichteten ihm ziemlich regel— 
maͤßig ebenso wie die Regierungsbehoͤrden der einzelnen Landesteile, 
die nicht muͤde wurden, ihre treue Ergebenheit und des Landes Wuͤnsche 
fuͤr seine baldige Ruͤckkehr zu versichern. Sonst hatten sie freilich nicht 
viel Gutes zu melden. Die Bestechung Lagranges hatte nicht zu hindern 
vermocht, daß die Pluͤnderung der Schloͤsser und Kunstsammlungen 
systematisch weiter betrieben wurde, wobei Napoleons Sachverstaͤndiger 
Denon ein scharfes Auge fuͤr die wertvollsten Stuͤcke zeigte. In Hanau 
ließ der Marschall Kellermann die Moͤbel, Weine und sonstigen 
Vorraͤte aus den kurfuͤrstlichen Schloͤssern versteigern (wie das auch in 
Cassel geschah), die Waͤlder verwuͤsten, und die durch hohe Kontri— 
butionen gebrandschatzten Untertanen mußten selber die Waͤlle der alten 
Mainfestung schleifen. 
Die besten Nachrichten kamen aus Rinteln. In der Grafschaft 
Schaumburg traten die Franzosen human auf, und man haͤtte sich 
weniger uͤber sie als uͤber die ehemalige preußische Kriegs- und Do— 
maͤnenkammer in Minden zu beklagen, der die Franzosen die Regierung 
in Rinteln unterstellt hatten, und die nun den Hessen nach Moͤglichkeit 
alle Lasten aufzubuͤrden suchte. Als sie sich sogar das Mobiliar von 
Nenndorf aneignen wollte, da wurde das Bad nur durch das Da— 
zwischentreten des franzoͤsischen Intendanten Siccard vor dem Ruin 
gerettet. Man konnte die Saison wieder eroͤffnen, wenn auch nur mit 
der bescheidenen Zahl von 29 Kurgaͤsten, deren namentliche Liste man 
dem fuͤr seine Schoͤpfung so sehr interessierten Kurfuͤrsten uͤbersandte. 
Bei allen erlittenen Schaͤden troͤstete sich das Land jetzt mit der Aus⸗ 
sicht auf eine „beispiellos ergiebige Ernte“, wie auch merkwuͤrdigerweise
	        
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