Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Wilhelm und die hessischen Beamten Exilsgenossen 281 
hatten. Deshalb lautete der Hauptpunkt der Instruktion fuͤr die Regent⸗ 
schaft dahin, daß „alle Influenz der Franzosen zu vermeiden“ sei. Das 
konnte aber angesichts der tatsaͤchlichen Verhaͤltnisse nur ein frommer 
Wunsch bleiben. Die hessischen Regierungsbeamten blieben zwar einst⸗ 
weilen in ihren Ämtern, wurden aber unter die strenge Kontrolle von 
Lagrange und Lamartillièere gestellt, die nur in den oben erwaͤhnten 
Faͤllen die Zuͤgel etwas locker ließen. Die mehrmals in den Proklamationen 
des franzoͤsischen Gouverneurs vorkommende Wendung, daß das Haus 
Hessen unwiderruflich aufgehoͤrt habe zu regieren, fuhr dem Kurfuͤrsten 
zwar jedesmal in die Knochen, er wollte aber nicht daran glauben, 
protestierte deshalb auch gegen den erzwungenen interimistischen Dienst⸗ 
eid der Beamten und verlangte von den abgesetzten Ministern, daß sie 
der Dienerschaft die Pflicht treuer Anhaͤnglichkeit an ihren alleinigen 
rechtmaͤßigen Landesherrn einschaͤrfen sollten. Er selbst flehte taͤglich zu 
Gott um Abkuͤrzung der schweren Pruͤfungszeit, bat ihn um Geduld 
und Standhaftigkeit und endete alle seine Gebete mit dem heißen Wunsche: 
„Gott, laß mich bald wieder nach Hause, nach Hessen kommen!“ 
In der ersten Zeit der Verbannung zu Gottorp haͤtte er den Trost, 
oͤfters Leidensgefaͤhrten um sich zu sehn. Eine ganze kleine Gesellschaft 
vertriebener Fuͤrstlichkeiten war zu Ende des Jahres 1806 an dem gast— 
lichen Hofe des Landgrafen Carl versammelt. Da war die Prinzessin 
von Oranien-Fulda!) mit ihrer Tochter, die verwitwete Erbprinzessin 
von Braunschweig und die Erbprinzessin von Sachsen⸗Weimar, 
alle landfluͤchtig gleich dem Kurfuͤrsten. Auch der Herzog von Olden— 
burg erschien sowie der Erbprinz Carl August von Weimar mit 
seiner Mutter Maria Pawlowna. Man beklagte sich gegenseitig, 
und als die Weimarer Herrschaften als die ersten Gnade vor Napoleons 
—WEe 
mal Maria Pawlowna ihre tatkraͤftige Verwendung und Fuͤrsprache bei 
ihrem Bruder in Petersburg zusicherte. 
Landgraf CKarl hatte seinem Bruder die koͤniglichen Gemaͤcher des 
Gottorper Schlosses eingeraͤumt. So herzlich der Kurfuͤrst von ihm auf—⸗ 
genommen war, so wenig fuͤhlte er sich doch auf die Dauer in dem alten 
Wasserschlosse wohl. Gewohnt als regierender Herr und Chef des Hauses 
aufzutreten, konnte er sich schwer in die Rolle des landfluͤchtigen Gastes 
1) Gleichzeitig mit dem Einfall in Kurhessen war auch das Fuͤrstentum Fulda am 
27. Okt. 1806 von Mortier besetzt und entwaffnet worden.
	        
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