Soldatenaufstand 1806/7 Lagrange 2277
um die Aufregung zu daͤmpfen seinen Befehl zuruͤckziehen. Die hessi⸗
schen Minister, in der richtigen Einsicht, daß der Aufstand nicht gelingen
und dem Lande nur schaden koͤnne, bemuͤhten sich gleichfalls, die Em⸗
poͤrung zu stillen, und baten auch den Kurfuͤrsten, den Soldaten die
Unterwerfung zu befehlen. Davon wollte er aber nichts wissen und
weigerte sich den Abmahnungsaufruf zu unterzeichnen. Fuͤrst Wittgen⸗
stein schrieb ihm damals aus Hamburg: „Die Liebe, die Hoͤchst dero
Unterthanen im gegenwaͤrtigen Augenblicke vor ganz Europa zeigen, und
die Ausnahme, die sie vor allen andern machen, muß mit Recht alles
vergessen machen, was Hoͤchstdieselben bis jetzt gelitten und empfunden
haben. Kein Souveraͤn kann sich dieses ruͤhmen. Es wird dieses den
Namen von Ew. Kurf. Durchl. in der Geschichte ebenso unvergeßlich
machen, als den eines Eroberers oder eines Feldherrn, der zehn Schlachten
zgewonnen hat.“
Der Aufstand mußte aber doch schließlich an der mangelnden Or
zanisation scheitern und verlief nach kurzer Dauer im Sande. Na—
poleon war wuͤtend uͤber die unerhoͤrten „Verbrechen“ der hessischen
Soldaten und befahl von Warschau aus, drakonische Maßregeln gegen
die Aufruͤhrer zu ergreifen, und so floß in der Casseler Aue, in Jes—
berg, auf dem Glacis von Ziegenhain und auf dem Werdchen bei Esch—
wege das Blut einiger „Maͤrtyrer fuͤrs Vaterland“, wie der Kurfuͤrst
mit schmerzlichem Stolz diese Raͤdelsfuͤhrer nannte. Im großen und
ganzen wurden die Insurgenten aber verhaͤltnismaͤßig milde behandelt
ganz gegen Napoleons Auftrag, der mit Lagrange sehr unzufrieden
war und ihm schrieb: „Um die Schlechtgesinnten in Deutschland in
Schrecken zu halten, muß man sichtbare Spuren hinterlassen.“
Lagranges auffallende Milde hatte ihren guten Grund. Der
Franzose verhandelte naͤmlich waͤhrend dieser ganzen Zeit im geheimen
mit den hessischen Ministern um Schmiergelder, die diese dafuͤr bewilligen
mußten, daß er in Hessen nicht zu hart auftrat und vor allen Dingen
bei der Rettung des kurfuͤrstlichen Schatzes ein Auge zudruͤckte.
Der reiche Kurfuͤrst hatte zwar bei seiner ploͤtzlichen Flucht nichts
mitnehmen koͤnnen, war aber doch so vorsichtig gewesen, rechtzeitig an
die Bergung der im Lande befindlichen Bestaͤnde des Hausschatzes und
der wertvollsten Pretiosen zu denken. In fruͤheren kritischen Zeiten hatte
man dieselben außer Landes gebracht, wie 1792 nach Hannober. Na—⸗
poleon vermutete denn auch einen Teil des Schatzes in Magdeburg,
und sein Marschall Ney mußte dort vergeblich danach suchen. Die kur⸗