Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Seine Darstellung der Okkupation — 275 
ließ die beiden Regimenter und Garde du Corps sogleich zum Ausruͤcken 
auf den ersten Allarm bereit zu sein anbefehlen und scharfe Patronen 
austheilen.“ Die nach St. Genests Note an Mortier abgesandte Kom⸗ 
mission habe wider ihre Instruktion und ganz uͤbereilt gehandelt, vor 
allem dadurch, daß General v. Webern die Beurlaubung und Auf— 
loͤsung der Truppen veranlaßte. „Wie vom Donner geruͤhrt, sahe ich 
mich demnach von meinen eignen Dienern verlassen, vom Generalcom⸗ 
mando beraubt, da der Gouverneur mich nicht einmal uͤber das vom 
Beneralmajor v. Webern ihm angezeigte angefragt, und zur Reise sofort 
gezwungen, da der Etatsminister v. Baumbach mir noch zu guter letzt 
eroͤffnete, daß Mortier meinen Sohn und mich als Preußische Generals 
zu Kriegsgefangenen zu erklaͤren, die Ordre habe.“ Das Memoire 
schloß mit den Saͤtzen: „Auf diese unerhoͤrte Weise ist ganz Hessen friedlich 
durch die Schuld dreier Generals und einer ohne alle Vollmachten ganz 
beschraͤnkten Commission occupirt, das Land à discretion ergeben, und 
ein zum Muster aller andern Truppen dienendes Corps vernichtet und 
unterdruͤckt worden. Ein Beispiel fuͤr folgende Zeiten und Beruhigung 
fuͤr mich, daß ich an solchem Ungluͤck ganz vorwurfsfrei bin und bleibe.“ 
Auch diese Erklaͤrung, die nicht in weitere Kreise drang, verfehlte 
ihren Zweck. Mit ihrer einseitigen, im einzelnen — nicht nur in ihrem 
Deutsch — sehr anfechtbaren Darstellung und dem Leitmotiv, die Schuld 
aller begangenen Fehler auf andere abzuwaͤlzen, machte sie vielmehr nur 
boͤses Blut und trug dazu bei, daß einzelne der Hauptbeschuldigten sich 
spaͤter von dem Kurfuͤrsten abwandten. Wurmb und Webern pro— 
testierten energisch und leugneten die angeblich getroffenen Verteidigungs— 
anstalten. Die Posten haͤtten auf direkten Befehl des Kurfuͤrsten keine 
Patronen erhalten, „sie moͤchten sonst schießen und es koͤnnte Ungluͤck 
geben!“ Webern verfaßte eine etwas verschrobene Rechtfertigungsschrift, 
die er dem Kurfuͤrsten uͤbersandte und dann gegen dessen Willen in 
Archenholtz' Minerva erscheinen ließ. Der Kurfuͤrst war aber viel zu 
eigensinnig, und fuͤrchtete zu sehr, sich und seiner Regentenweisheit etwas 
zu vergeben, als daß er sein ungerechtes Urteil gemildert haͤtte. 
Einen viel schaͤrferen Angriff, als der „schwuͤlstige“ Aufsatz Weberns 
bedeutete, erfuhr Wilhelm etwas spaͤter durch eine anonyme Schrift, in 
der ein angeblicher ehemaliger hessischer Capitaͤn!) die Zustaͤnde in „Hessen 
vor dem 1. November 1806“ einer schonungslosen Kritik unterzog. Es 
J N unter den Offizieren war die Meinung verbreitet, der Auditeur Mart in vom 
Regiment Kurprinz sei der Verfasser. Andere beschuldigten einen Faͤhnrich Franz 
HKundeshagen vom Regiment Landgraf Carl der Autorschaft. Auch dessen Bruder, 
der spaͤtere Forstmeister Joh. Christian H., wurde mit der Schrift in Verbindung gebracht. 
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