Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Kurfuͤrstin in Gotha Herzogin Caroline Wilhelm an Napoleon 273 
war auch die alte Frau auf der Flucht nach Gotha zu ihrer Tochter 
Faroline, die die Veraͤngstetete mit offnen Armen aufnahm und von ihrer 
Weiterreise nach Daͤnemark nichts wissen wollte. Sie hatte nichts ge⸗ 
rettet als ihre Juwelen und jammerte in greisenhaftem Schmerz besonders 
um ihr daͤnisches Goldgeschirr, das sie mit in die Ehe gebracht hatte, 
und das nun mit der uͤbrigen großen Beute den Franzosen in die Haͤnde 
fiel. Fuͤr den Kurfuͤrsten hatte sie ein versiegeltes Paket bei sich, dessen 
Rettung ihr der Hofbibliothekar Strieder ganz besonders auf die Seele 
gebunden hatte. Es war Wilhelms „theures Journal,“ und die Fuͤrstin 
ahnte wohl kaum, wieviel bittere Worte und Urteile uͤber ihre eigne 
Person sie damit fuͤr die Nachwelt aufbewahrte. 
Die Herzogin Caroline begnuͤgte sich nicht damit, ihrer alten 
Mutter Hilfe und Beistand zu leisten. Sie reiste Anfang Dezember kurz 
entschlossen nach Mainz, wo die Kaiserin Josephine damals weilte, 
um bei des Allgewaltigen Gattin Fuͤrsprache fuͤr ihr Vaterhaus und 
ihre hessische Heimat einzulegen. Die konnte aber nicht viel versprechen 
und noch weniger helfen, da sie den Groll Napoleons gegen den Kur⸗ 
fuürsten kannte, und Caroline mußte ihrem Vater schreiben, daß die Zeit 
noch nicht gekommen sei, seine Sache persoͤnlich bei dem Kaiser zu fuͤhren. 
Hatte der Kurfuͤrst bei seiner Flucht wirklich einen Augenblick daran 
zedacht, Napoleon selbst aufzusuchen, so huͤtete er sich doch auch ohne 
diesen Rat in die Hoͤhle des Loͤwen zu gehn und begnüuͤgte sich damit, 
durch schriftliche Vorstellungen, den Usurpator fuͤr sich guͤnstiger zu stimmen. 
Noch von Arolsen aus hatte er den Geheimen Rat v. d. Malsburg 
zu Napoleon nach Berlin geschickt; er selber hatte gleich nach seiner An— 
kunft in Gottorp an den Kaiser geschrieben. Der franzoͤsische Geschaͤfts⸗ 
traͤger in Hamburg Bourrienne, ein Jugendbekannter Napoleons, 
aͤbernahm es, den Brief zu besorgen. Zehn Tage spaͤter sandte Wilhelm 
einen weiteren Brief nach Berlin, den die Kurprinzessin personlich 
uͤbergab. Diese, die in jenen kritischen Tagen im Berliner Schlosse einem 
kleinen hessischen Prinzen ein nur kurzes Leben geschenkt und daher als 
einziges Glied der koͤniglichen Familie nicht hatte fluͤchten koͤnnen, konnte 
zwar berichten, daß Napoleon sie bei seinem Aufenthalt in Berlin mit 
auffallender Zuvorkommenheit behandelt habe, aber die Briefe des Kur⸗ 
fuͤrsten blieben ohne Antwort. Jetzt, da Lagrange auf Napoleons 
Befehl zu Cassel die hessischen Wappen entfernen und die franzoͤsischen 
Adler anschlagen ließ, wandte sich der Kurfuͤrst an die Offentlichkeit. 
Am 14. November erließ er eine aus Schleswig datierte Erklaͤrung, in 
der er sich gegenüͤber den Anklagen der St. Genest'schen Note zu ver— 
Lossch. Kurfuͤrst Wilhelm J. 18
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.