Flucht des Kurfuͤrsten
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habe, den Kurfuͤrsten und seinen Sohn als preußische Generaͤle en sur⸗
veillance zu nehmen. Um sieben Uhr kam die Deputation mit diesem
Bescheid zuruͤck, und eine halbe Stunde spaͤter befand sich der ungluͤck⸗
liche Fuͤrst mit seinem Sohn schon auf der Flucht. Traͤnenden Auges
sah Landgraf Friedrich den Reisewagen an sich vorbeirasseln, und be—⸗
stuͤrzt sahen die Casselaner, die Tags zuvor noch neugierig nach dem
Forst ins Lager der Franzosen gepilgert waren, ihrem fliehenden Herrscher
nach. Es hieß, er wolle zu Napoleon ins franzoͤsiche Haupquartier.
Vor dem Leipziger Tore stieß aber der Wagen auf die feindlichen Vor⸗
posten. Da ließ der Kurfuͤrst Kehrt machen, und es ging zuruͤck durch
die Stadt in rasender Eile nach der einzigen Richtung, uͤber Wilhelms—⸗
hoͤhe und den Winterkasten, von Doͤrnberg auf der Wolfhager Straße
bis nach Arolsen. Von hier schrieb er an die Kurfuͤrstin), von der
er nicht einmal hatte Abschied nehmen koͤnnen, und bat sie, allen zu
sagen, weshalb er habe fliehen muͤssen.
Fuͤrst Friedrich von Waldeck machte kein sehr erfreutes Gesicht,
als sein hoher Lehnsherr und Glaͤubiger bei ihm eintraf. Er war im
Begriff, seine Souveraͤnitaͤt im Rheinbund unter Dach und Fach zu
bringen, und fuͤrchtete den Zorn Napoleons, wenn er die Fluͤchtlinge
schuͤtzte. So warteten diese nur noch die Ankunft des Fluͤgeladjutanten
von Thuͤmmel mit dem zweiten Wagen ab, borgten sich vom Hofmar—
schall Zivilkleider mit dem verhaßten runden Hut und fuhren nach kurzem
Entschluß durch Westfalen weiter. Bei Ossendorf kamen sie gluͤcklich
durch die Nachhut der hollaͤndischen Armee, der Oberforstmeister von
Hadeln brachte sie bis nach Pyrmont, in Nenndorf wurde noch einmal
hessischer Boden beruͤhrt, dann gings nordwaͤrts durchs Hannoͤversche
bis zur Elbe. In Harburg sprach man von einem kompromittierenden
Brief des Landgrafen Carl, den Napoleon aufgefangen haben sollte.
Die bestellten Schiffe waren aber da und brachten die Fluͤchtlinge am
5. gluͤcklich auf daͤnisches Gebiet nach Altona. Zwei Tage spaͤter traf
der Kurfuͤrst in Schleswig ein und fand auf Schloß Gottorp bei seinem
Bruder einstweilen ein Asyl.
1) Ma très chère FElectrice, Oh quel moment affreux, je ne pus seulement
Vous dire Adieu . .. Je tacherai d'aller chez Votre Soëcur, ou je me flatte
d'arriver et de Vous voir encore ... Dieu Isait] qu'il me coute de Vous laisser
au cher Cassel. Dites à tout le monde que jamais je ne les eusse quité,
ci mon fils et moi n'avions pas du être prisonniers de Guerre... A la Porte
de Leipzi l falut retourner, les barbares alloient envahir le cher Cassel.
Adicu“ IIIe fois adieu, tout à Vous, Votre fidèle et tendre ami Guillaume.