2. Studienjahre in Goͤttingen
1754 56
Gouuen war damals die juͤngste deutsche Universitaͤt. Vor 20 Jahren
hatte Georg II. die erste Hochschule in seinen Erblanden begruͤndet,
und unter der vortrefflichen Verwaltung des Ministers v. Muͤnchhausen fing
die Georgia Augusta in der seit dem 30 jaͤhrigen Krieg stark herunter⸗
gekommenen Leinestadt an, ihren Ruf in der akademischen Welt zu ver⸗
breiten, der bald den mancher aͤlteren Schwester uͤberstrahlte. Noch war
Goͤttingen ein recht armseliges Nest mit meist nur kleinen Holzhaͤusern,
in dessen schmutzigen, groͤßtenteils ungepflasterten Straßen die 2—300 Stu⸗
denten bei schlechtem Wetter Gefahr liefen, im Schlamme zu versinken.
Aber Muͤnchhausen sorgte dafuͤr, daß die Ortsverhaͤltnisse sich besserten,
daß neben den stattlichen Universitaͤtsgebaͤuden auch neue Privathaͤuser
gebaut wurden, und als Georg II. 1748 zum ersten Male die Uni—
versitaͤt durch seine allerhoͤchste Gegenwart begluͤckte, da war schon vieles
in dem aͤußern Bilde der Stadt anders geworden. So war der scheuß—
liche Sumpf, der sich an der sog. Guͤldenen Straße durch die Masch von
der Leine zum Festungswall ausbreitete, verschwunden. An seiner Stelle
war eine breite Lindenallee entstanden, deren Ende in einer großen Treppe
auf den Wall fuͤhrte, von wo man einen huͤbschen Ausblick nach den
umliegenden Hoͤhen haͤtte. Rechts und links von der durch Barrièren
eingefriedigten Allee, die der beliebteste Promenadenweg der Universitaͤt
wurde, erhoben sich mehrere neue Haͤuser, unter denen das von dem
sommissarius Graetzel, dem Besitzer der groͤßten Camelotfabrik der
alten Tuchmacherstadt, 1741 erbaute dreistoͤckige Haus) an der Leine
mit einem schoͤnen Saͤulenportal das weitaus stattlichste war, mit dessen
außerer und innerer Ausstattung nur wenige andere Haͤuser Goͤttingens
vetteifern konnten. Das war das Heim, das Koͤnig Georg fuͤr seine
1) Jetzt Hotel National. In dem gegenuͤberliegenden Hause, der spaͤteren Wohnung
der Bruͤder Grimm, befand sich die Graetzelsche Tuͤchfabrik.