Reise ins preußische Hauptquartier
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Armee zuruͤckziehn, wenn Preußen abruͤste. Erst als in Cassel die Ab⸗
reise Friedrich Wilhelms III. zur Armee bekannt wurde, kam der Kur⸗
fuͤrst zu der Ansicht, „es scheint preußischerseits Ernst zu sein.“ Doch
noch am 27. September war er daruͤber nicht sicher und meinte, die
Entscheidung uͤber Krieg oder Frieden werde nun bald kommen.
Friedrich Wilhelm III. nahm keine Notiz von der verschleierten
Ablehnung des Oberkommandos durch den Kurfuͤrsten, sandte ihm die
Operationsplaͤne der Armee und wiederholte seine Forderung des Durch—
marsches durch Hessen. Aber der Kurfuͤrst blieb fest, so sehr er auch
von vielen Seiten, besonders auch von seinem Sohn bestuͤrmt wurde,
sich Preußen anzuschließen. „Ich hoffe durch Gottes Gnade noch ein⸗
mal Hessen zu schuͤtzen“, schrieb er damals in sein Tagebuch, aus dem
deutlich hervorgeht, daß er immer noch an der Festigkeit der preußischen
Politik zweifelte und sich deshalb nicht umsonst der Rache Napoleons
aussetzen wollte, der bereits durch Talleyrand und Bignon Erklaͤrungen
uͤber die hessischen Ruͤstungen gefordert hatte. Zu Preußen hatte er
kein Vertrauen mehr und dachte, „daß bei einer Allianz mit Preußen
im gluͤcklichen Falle nicht viel zu gewinnen, im ungluͤcklichen aber viel
zu verlieren sein duͤrfte“ So schrieb ihm Malsburg aus Paris und
teilte ihm zugleich mit, daß Napoleon die hessische Neutralitaͤt anerkennen
wolle. Das war fuͤr den Kurfuͤrsten eine große Erleichterung, und er
bdeschloß nun ins preußische Hauptquartier zu gehn, um dort die gleiche
Anerkennung zu erreichen. Am 1. Oktober reiste er nach Naumburg.
Unterwegs in Gotha bestuͤrmte ihn seine Tochter sich doch den Preußen
anzuschließen. Ihr Gatte, der Herzog, war „besser wie gewoͤhnlich“ und
wagte es nicht, seinem Schwiegervater zu erzaͤhlen, mit welch brennen⸗
der Ungeduld er gerade in diesen Tagen auf das in Paris bestellte
große Ölbild seines Abgottes Napoleon wartete. In Naumburg traf
Wilhelm (3. Okt.) die Kurprinzessin, die auf dem Wege nach Berlin
war, um dort ihre bevorstehende Niederkunft abzuwarten. Auch sie ver⸗
einigte ihre Bitten mit den Wuͤnschen des Koͤnigs und der Koͤnigin.
Aber weder deren dringende Vorstellungen noch mehrere Konferenzen
mit dem Herzog von Braunschweig waren imstande, ihm den verlangten
Marschbefehl an seine Truppen abzuringen. Am wenigsten konnte ein
ihm von Friedrich Wilhelm III. vorgelegter Brief des Kurprinzen,
worin dieser dem Vater den Gehorsam aufsagte und sich dem Koͤnige
zur Verfuͤgung stellte, seinen Entschluß aͤndern, die hessische Neutralitaͤt
so lange wie moͤglich zu wahren. „Ich blieb standhaft ... nahm
Abschied und hatte nichts unterschrieben, noch weniger versprochen.“