Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

264 Mobilmachung in Preußen und Hessen 1806 
der die Franzosen nicht hasse. „Welch ein Ruhm vor unsere brave 
armée, jene Raͤuber Horden zu demuͤttigen; denn nie uͤberwinden sie 
ein Preusisches Heer. Fuͤhren Euer Magistad uns nur zu Ehre und 
zum Sige!“ Am 15. August traf die Nachricht in Cassel ein, daß 
Preußen mobilisiere. In Hessen glaubte man nicht recht an den Ernst 
der Situation. Der Kurfuͤrst hielt alles „fuͤr Demonstration“, blieb 
borlaͤufig ganz „kaltbluͤtig“, ließ aber doch seinen Sohn von Hanau 
kommen und fing auch an zu ruͤsten. Trotz alles Draͤngens konnte er 
sich nicht entschließen, für Preußen offen Partei zu ergreifen, zumal er 
nicht ohne Grund fuͤrchtete, daß Hessen im Kriegsfalle den ersten An⸗ 
stoß des Feindes aushalten und den Schauplatz des Krieges hergeben 
muͤsse. 
Man gab sich preußischerseits alle erdenkliche Muͤhe, ihn zu gewinnen. 
Haugwitz versprach ihm, englische Subsidien fuͤr Hessen auszuwirken. 
Aber der Kurfuͤrst verzichtete, um nicht bei Napoleon Anstoß zu erregen. 
Am 14. September kam Major v. d. Knesebeck mit einem Brief Fried⸗ 
rich Wilhelms III. der dem Kurfuͤrsten das Oberkommando uͤber 
die preußischen Korps in Westfalen und Hannover uͤbertrug. Das war 
noch vor kurzem Wilhelms lebhafter Wunsch gewesen; jetzt wollte er 
aichts davon wissen, antwortete ausweichend, lehnte nicht direkt ab, 
nahm aber auch nicht an. Er versicherte, wie sehr ihm die gute Sache 
am Herzen laͤge, „er halte es aber fuͤr rathsam, seine wahre Gesinnung 
jetzt noch zu verstecken und erst so spaͤt als moͤglich bekannt werden zu 
lassen.“ Darum weigerte er sich auch entschieden, den beiden Korps von 
Bluͤcher und Ruͤchell den Durchmarsch durch Hessen zu gewaͤhren, und 
erklaͤrte dem Fuͤrsten Wittgenstein, er habe keine Zeit ins preußische 
Hauptquartier zur Beratung des Feldzugsplans zu kommen. Auf er—⸗ 
neutes Draͤngen des Koͤnigs zur Mobilmachung wurden aber doch die 
Ruͤstungen fortgesetzt und die hessischen Truppen in der Gegend von 
Wabern zusammengezogen. Dem franzoͤsischen Gesandten erklaͤrte Wil— 
helm persoͤnlich, daß dies nur zur Behauptung der Neutralitaͤt geschehe, 
und daß Hessen die Partei, die seine Neutralitaͤt verletze, als seinen 
Feind betrachten und zu dem Gegner uͤbergehn werde. 
Der Kurfuͤrst wollte noch immer nicht an den bevorstehenden Aus— 
bruch des Krieges glauben; in Berlin hatte man dafuͤr zu oft mit dem 
Saͤbel gerasselt, ohne ihn wirklich zu ziehn. Der Zweifel war auch durch⸗ 
aus berechtigt. Der Koͤnig schwankte noch immer, hatte er doch erst 
bor kurzem den General v. Knobelsdorff mit Freundschaftsbeteurungen 
nach Paris gesandt; und Napoleon hatte mehrfach erklaͤrt, er werde seine
	        
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