Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Plan eines Norddeutschen Bundes 1806 
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uͤrstliche Durchlaucht sind entschlossen, lieber allen Vergroͤßerungen zu 
entsagen, als sich ausschließlich mit Frankreich zu verbuͤnden.“ 
Fuͤnf Tage nach der Notifikation der Rheinbundsakte an den Reichstag 
legte Franz II. am 6. August 1806 die Roͤmische Kaiserkrone nieder. 
Die Fahnenflucht des letzten Habsburgers auf dem Kaiserthron machte 
nach all den vorangegangenen aufregenden politischen Ereignissen im 
allgemeinen kaum einen Eindruck. Fuͤr den Kurfuͤrsten aber war der 
„Zusammenbruch des alten gothischen Reichsgebaͤudes, der uns in Deutsch⸗ 
land von unsern Mitstaͤnden trennte, der haͤrteste Schlag“. Es kam 
darauf an, von den Truͤmmern des Reichs zu retten, was noch zu retten 
war. Der Gedanke lag nahe, daß die noch uͤbrigen Kurfuͤrsten einen 
neuen Kaiser waͤhlten, und das konnte nur in Norddeutschland sein. 
Der spaͤtere Norddeutsche Bund warf seinen Schatten voraus. 
Wie dieser unter der Aegide Napoleons III. zu stande kam, so fand 
30 Jahre fruͤher ein aͤhnlicher Gruͤndungsplan die ausdruͤckliche, wohl⸗ 
wollende Billigung des ersten Napoleon. So verdichteten sich die laͤngst 
begonnenen Verhandlungen zwischen den durch alte Erbverbruͤderung 
berbundenen Kurhaͤusern Brandenburg, Sachsen und Hessen zu einem 
foͤderativen Bundesplan in Anlehnung an die alte Reichsverfassung. 
Saͤmtliche Bundeslande sollten in drei Kreise, den brandenburgischen, 
saͤchsischen und hessischen, eingeteilt werden, deren Leiter zusammen das 
Direktorium bilden sollten. Das fuͤhrende Oberhaupt, der Koͤnig von 
Preußen, sollte den Kaisertitel, die Kurfuͤrsten von Sachsen und Hessen 
den Koͤnigstitel annehmen. Waitz, der in Berlin die Verhandlungen 
fuͤr Hessen fuͤhrte, bemuͤhte sich sehr um das Zustandekommen dieses 
Projektes. Der Kurfuͤrst hatte mancherlei Bedenken, obwohl ihm die 
Oberhoheit uͤber die benachbarten kleineren Fuͤrstentuͤmer und Herrschaften 
zugesagt war. Der ganze Plan hatte ihm zu viel Ähnlichkeit mit dem 
Rheinbund. Er fuͤrchtete „eine absolute Gewalt und eine ewige Sklaverei 
fuͤr die darunter begriffenen Fuͤrsten“, dem gegenuͤber die in Aussicht 
gestellte Königskrone doch nur einen dekorativen Charakter haben wuͤrde. 
Er wollte sich weder an Napoleon, noch an Preußen mit Haut und 
Haaren verschreiben, und seine Bereitwilligkeit, auf den Plan einzugehn, 
ließ von dem Augenblick nach, als seine von ihm jetzt dringend gewuͤnschte 
Neutralitaͤt dadurch gefaͤhrdet erschien. 
In Berlin war naͤmlich die von der Koͤnigin gefuͤhrte Kriegspartei wieder 
obenauf gekommen und hatte den schwachen Koͤnig aufgeruͤttelt. Wieder 
spielte man Wallensteins Lager unter stuͤrmischem Beifall, und Bluͤcher 
schrieb an Friedrich Wilhelm III., daß in der Armee kein Tambour sei,
	        
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