Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

262 Kurhessen und der Rheinbund 
fiel den Rheinbundsfuͤrsten muͤhelos in den Schoß, wonach sein Ehrgeiz 
sich jahrelang umsonst gesehnt hatte. Unter ihnen war auch der Vetter 
in Darmstadt. Sollte er seinem Beispiele folgen und auch — wie der 
bayrische Koͤnig sagte — „den Teufel am Schwanz ziehn“? y Dalberg 
schrieb: wenn der Kurfuͤrst wolle, koͤnne er große Vorteile aus der Lage 
ziehn, und fuͤgte mit bezeichnender Kuͤrze hinzu: „Darmstadt und wir 
werden Großherzog“. Und das Parxiser Journal de l' Empire ließ 
diese Vorteile durchblicken, indem es behauptete, der Kurfuͤrst werde unter 
erheblicher Vergroͤßerung seiner Lande dem Rheinbund als Koͤnig beitreten. 
Es war nur zu erklaͤrlich, daß der Kurfuͤrst eine Zeit lang unschluͤssig 
war, wie er sich stellen sollte. „Gott gebe mir Weisheit zum Handeln“ 
schrieb er in seinen Handkalender, als er am 28. Juli die Nachricht 
vom Abschluß des Rheinbundes erhielt. Von seinen Ministern wagte 
keiner, ihm einen bestimmten Rat zu geben, so gruͤndlich sie alle in 
langatmigen Promemorias das Fuͤr und Wider eroͤrterten. Waitz, der 
in Berlin fuͤr einen Norddeutschen Bund wirkte, druͤckte sich sehr diplo— 
matisch aus, indem er sagte: „So wie die Sachen jetzt liegen, bleibt 
meines Beduͤnkens nichts anderes uͤbrig, als sich zum einen oder anderen 
System zu schlagen“. Das suͤdliche System koͤnne „groͤßere“, das noͤrdliche 
solidere“ Vorteile gewaͤhren, meinte er, obwohl man in Hessen doch 
wahrlich guten Grund hatte, der Soliditaͤt preußischer Versprechungen 
zu mißtrauen, wenn auch damals niemand ahnte, daß Kurhessen schon 
als Austauschobjekt gegen Hannover fuͤr Preußen vorgeschlagen war. 
Baumbach, der einzige in Cassel anwesende Minister, konstatierte einfach 
resigniert: „Wir sind am schlimmsten dran. Allen andern zeichnet ihre 
geographische Position den Weg vor, den sie durch das Gesetz der Noth⸗ 
wendigkeit gezwungen wandeln muͤssen. Wir aber moͤgen uns nach 
Süden oder Norden wenden, so laufen wir Gefahr, wenigstens hinter 
denen zuruͤckzubleiben, welchen wir sonst uͤberlegen waren“. Er ließ 
aber immerhin durchblicken, daß er den Anschluß an den Rbeinbund 
fuͤr vorteilhafter hielt. 
Nach kurzem Schwanken widerstand der Kurfuͤrst der Versuchung, 
weil er fuͤhlte, daß der Beitritt zum Rheinbund ihn zum willenlosen 
Vasallen des verhaßten Bonaparte machen wuͤrde. Malsburg gab 
seine Anschauungen durchaus richtig wieder, als er schrieb: „Ew. Kur—⸗ 
1) „Recht hat er, was bleibt einem anders zu tun uͤbrig? Ich beiße schon lange 
an dem sauern Apfel. Man muß doch an sich und die Seinigen denken und sehn, 
wie man durchkommt; die Dinge stehn nun einmal so, daß einem nichts anderes zu tun 
aͤbrig bleibt“ sagte Max Joseph zu Du Thil, dem Sendboten seines Schwagers, des 
Landgrafen Ludewias XR. (Du Thil, Denkw. 92).
	        
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