260 Der Damenkongreß von Pyrmont 1806
einen Brief von der Koͤnigin Luise erhielt, die ihn „in sehr obli⸗
geanter Weise“ nach Pyrmont einlud.
In Berlin hatte man die ungewohnte Extratour des hessischen Ge—
sandten in Paris mit Mißtrauen beobachtet und war in großer Sorge,
wie Lucchesini schrieb, daß „hierdurch der treueste Freund und Alliierte
fuͤr den Koͤnig verloren gienge.“ Fuͤrst Wittgenstein, der uͤbrigens
damals den Kurfuͤrsten mehrfach animierte, das Laͤndchen seines Bruders,
des regierenden Fuͤrsten v. Sayn⸗Wittgenstein⸗Hohenstein einfach zu okku⸗
pieren, mußte sich alle erdenkliche Muͤhe geben, den Kurfuͤrsten wieder
zu einer engeren Verbindung mit Preußen zu gewinnen. Diesem Zwecke
diente auch die Einladung nach Pyrmont, da man die Schwaͤrmerei
Wilhelms fuͤr die Koͤnigin kannte. „Se. kurfuͤrstliche Durchlaucht werden
bon der schoͤnen Koͤnigin mit offenen Armen erwartet“, versicherte Wittgen⸗
stein und fuͤgte hinzu, daß Ihre Majestaͤt nach Ihrem eignen Ausdruck
den Kurfuͤrsten „auf den Haͤnden tragen wollen.“
Solchen Sirenenrufen konnte Wilhelm nicht widerstehn. Er war vom
5. —11. Juli in Pyrmont und unterbrach nachher seine Nenndorfer Kur
noch einmal vom 24. -27. zu einem zweiten Besuch bei der Koͤnigin, die
alle Zauber ihrer Liebenswuͤrdigkeit spielen ließ und ihm zu Ehren sich
sogar in der Uniform des Regiments „Kurfuͤrst von Hessen“ praͤsentierte.
Er durfte ihr taͤglich beim Brunnentrinken die Cour machen, speiste und
tanzte sogar mit ihr. Es war eine Art von Damenkongreß in Pyrmont,
wie Bignon spoͤttelte. Der Kurfuͤrst traf außer der Koͤnigin noch die
Großfuͤrstin Constantin, deren Schwaͤgerin, die Erbprinzessin Maria Paw⸗
lowna von Weimar und seine Schwiegertochter Auguste mit dem Kur—
prinzen. In dem kleinen Badeorte hatte schon Bluͤcher, ein am Spieltische
bielgesehener Gast, eine starke Atmosphaͤre von Franzosenhaß um sich
verbreitet. Diese selbe Atmosphaͤre umgab den Kreis der Koͤnigin und
entsprach ebenso ganz den Gefuͤhlen des Hessenfuͤrsten. Sie aͤußerte sich
so stark, daß man von Berlin aus der Koͤnigin Vorsicht in ihrem Auf—
treten empfehlen mußte. Zum Abschied beschenkte man sich gegenseitig
— der Kurfuͤrst erhielt ein superbes Necessaire, das er mit einer kostbaren
Tischuhr erwiderte — und Luise schrieb befriedigt an ihren Gemahl:
»Je me flatte, qu'il est tout à nous ... et que ses troupes feront
merveille avec les nôtres pour terrasser les infames Français, qui
répandent le malheur sur toute la terre.« Auch Friedrich Wil—
helm III. wechselte mehrere Briefe mit dem Kurfuͤrsten, versicherte ihn
der „Redlichkeit und Unverbruͤchlichkeit seiner innigen Freundschaft“, ver—
sprach ihm alles Moͤgliche und gab ihm sein Ehrenwort, „daß alles,