Knesebeck Wilhelm n nach Berlin 1805
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ebenso wie die aus der Herrschaft Plesse kommenden Klagen uͤber Ex—
zesse der preußischen Truppen, zu deren Abstellung er Anfang Dezember
nach Goͤttingen eilen mußte. Am meisten aͤrgerte ihn aber die Zuteilung
eines preußischen Militaͤrattaches in der Person des Majors von dem
Knesebeck, eines „commoden, ungezogenen Patrons“, der den un—
bequemen Aufpasser spielte und sich sogar in die hessische Militaͤrorgani⸗
sation und Mobilisation mischen wollte.
Anfang Dezember marschierten preußische Truppen durch Cassel, um
sich mit den Hessen zu vereinigen. Am 22. sollte das kombinierte Korps
bei Fulda konzentriert sein. In dieser aͤußerst gespannten Lage wurde
der Kurfuͤrst nach Berlin eingeladen, und zu gleicher Zeit kam der Be—
fehl, daß die auf dem Marsch befindlichen Truppen in Hessen Halt
machen sollten. Nach einigem Zaudern entschloß er sich zur Reise, neu⸗
gierig, was man von ihm wolle, und fuhr am 15. Dezember ab. Da
die Straßen durch die Truppenmaͤrsche uͤberfuͤllt waren, so mußte er
den Weg nach Muͤnden zum Teil zu Fuß zuruͤcklegen und traf erst am
18. abends in Berlin ein. Er fand hier die alte Atmosphaͤre mit ihrer
„widerspruchsvollsten Mischung von Militaͤromanie und von Furcht und
Abneigung vor dem Kriege, von Strenge und Zuͤgellosigkeit, rauher
Einfachheit und Frivolitaͤt, Neigung zu Sparsamkeit und Luxus“, wie
sie Prinz Louis Ferdinand von Preußen damals treffend kennzeichnete.?)
Die Luft, die am Hofe in⸗ und außerhalb der Tanzsaͤle wehte, ließ nichts
Gutes ahnen. Zwar war ein englischer Subsidien⸗Negotiateur Lord
Harrasby in Berlin, und fuͤr eine preußische Kriegsanleihe sollte der
Kurfuͤrst auch tuͤchtig zahlen, aber sonst war von einem Krieg gegen
Frankreich merkwuͤrdig wenig die Rede. Die hessischen Truppen sollten
nun auf einmal nicht nach Fulda, sondern naͤher nach Westfalen zum
Soutien der Preußen konzentriert werden, Forderungen, die in Ver—⸗
hindung mit den starken Requisitionszumutungen des Ministers v. Angern
und unliebsamen Kommandowechseln den Kurfuͤrsten empfindlich ver—
schnupften, um so mehr als er sich so wie so erheblich kuͤhler als sonst
behandelt sah. Die Lage sollte sich bald klaͤren. Inzwischen war ja
die Entscheidung in der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz gefallen. Anstatt
1) Karl Friedr. v. d. Knesebeck,* 1768, * 1848 als preußischer Generalfeld—
marschall. Bekannt durch seine Mission nach Petersburg 1812 und seinen Anspruch,
Alexander J. zum Krieg gegen Napoleon veranlaßt und den Feldzugsplan der Russen
entworfen zu haben. In KFassel war er von Oktober 1805 bis Februar 1806. Val.
auch S. 214 Anm. 1.
2) Brief vom 9. 1. 1806 an seine Schwester, die Prinzessin Radziwill.