Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

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Mobilmachung 1805 Bluͤcher 
tat es auf Zureden Wittgensteins und des inzwischen nach Cassel zuruͤck⸗ 
gekehrten Taylor, aber nicht ohne Bedenken; denn wenn er auch wieder 
seinen abmahnenden Ministern, namentlich „den Waitz'“ ), Zaghaftigkeit 
vorwarf, so empfand er doch auch selber sehr das Gefaͤhrliche seiner 
Lage „ganz vorne, um den ersten Choc auszuhalten“. Und gleich nach 
dem Mobilmachungsbefehl traf die Schreckenskunde von der Katastrophe 
von Ulm ein, und der Kurfuͤrst stoͤhnte: „Gott, welch ein Gluͤck hat der 
abscheuliche Bonaparte!“ Mit nicht geringer Besorgnis erfuhr er bald 
darauf die Nachricht von der Besetzung Hannovers durch Preußen, die 
den Umschwung des Berliner Kabinetts zu Gunsten der Franzosen vor⸗ 
bereitete. Der Besuch Kaiser Alexanders von Rußland in Berlin mit 
der pathetischen Schwurszene am Sarge Friedrichs des Großen (5. No⸗ 
vember) gab den Dingen wieder eine neue Wendung. Man spielte Krieg 
auf dem Theater in Berlin, begeisterte sich an Wallensteins Lager, und 
die preußischen Ruͤstungen wurden fortgesetzt. Das waren Wochen un⸗ 
ablaͤssiger, angestrengtester Arbeit fuͤr den Kurfuͤrsten. „Welch hartes 
Leben! Unruhe ohne Ende!“ seufzte der Zweiundsechzigjaͤhrige, den die 
Last des preußischen Dienstes zu druͤcken begann. 
Im November begab er sich in das Generalquartier nach Paderborn 
und traf hier in Bluͤcher, dem Sohne eines hessischen Rittmeisters?), 
einen in puncto Franzosenhasses ihm durchaus aͤhnlichen, sonst aber 
recht unbequemen, eigenwilligen Kameraden fuͤr den zukuͤnftigen Feldzug, 
an dessen Bevorstehn der Kurfuͤrst freilich noch immer nicht recht glauben 
wollte. Es gab unangenehme Eroͤrterungen uͤber die Kommandofragen, 
und da Wilhelm es ablehnte, seine Truppen mit dem westfaͤlischen Korps 
zu vereinigen und damit sein Land zu entbloͤßen, er außerdem auf keinen 
Fall unter dem Herzog von Braunschweig dienen wollte, so gab er nach 
der Ruͤckkehr nach Cassel den Befehl uͤber das westfaͤlische Korps an 
den Grafen Kalkreuth ab und uͤbernahm dafuͤr den Oberbefehl uͤber 
eine kombinierte preußisch-hessische Armee, die sich bei Fulda konzentrieren 
sollte. Ordres und Gegenordres jagten sich in der ganzen Zeit von 
Berlin aus, und nur mit Widerwillen besorgte der Kurfuͤrst die durch 
die zweifelhafte Politik des Berliner Kabinetts verworrenen militaͤrischen 
Geschaͤfte. Maßlose preußische Requisitionsforderungen erbitterten ihn 
1) Mit diesem Plural bezeichnete der Kurfuͤrst den Minister v. Waitz und dessen 
Schwager Meyer. 
2) Lhristian Friedrich v. Blüͤcher war 172737 Rittmeister im Kav.⸗Regiment 
Prinz Maximilian gewesen. (7 1761.) Auch Bluͤchers aͤlterer Bruder Hans Joachim 
hatte kurze Zeit als Kapitaͤn in hessischen Diensten gestanden. (Vergl. Woringers Auf— 
satz im „Hessenland“ 1921, 7 ff.)
	        
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