250 Besuch in Alexandersbad 1808
fuhr oft von Cassel nach Geismar, um die Arbeiten an dem dortigen
neuen Lac zu beaufsichtigen.
Im Fruͤhjahr 1805 war Wilhelm zweimal zur Inspektion in West⸗
falen und am Rhein, bei welcher Gelegenheit er seinen aͤltesten Sohn
von der Graͤfin Schlotheim, den 15jaͤhrigen Grafen Wilhelm Hes sen⸗
stein, der in preußische Dienste treten sollte, seinem Regiment in Pader⸗
born vorstellte. Auf die uͤblichen Berliner Karnevalsfreuden hatte er
diesmal verzichtet. Dafuͤr uͤberraschte er aber den preußischen Hof im
Sommer zu Alexandersbad bei Wunsiedel, wo Friedrich Wilhelm III.
mit seiner Familie zum ersten Male zu einem Sommeraufenthalt im
Fichtelgebirge weilte. Am 185. Juni traf er in Begleitung des Oberst⸗
leutnants v. Schlotheim, des Bruders der Graͤfin, in Alexandersbad
ein und kam gerade noch recht zu einem großen Schuͤtzenball mit einem
brillanten Aufzug von einigen hundert Bergleuten mit Grubenlichtern.
Im uͤbrigen hatte der Aufenthalt einen ungezwungenen, laͤndlichen Charakter.
Der Kurfuͤrst, der hier auch seinen Sohn, seine Schwiegertochter und
die Großfuͤrstin Constantin!) von Rußland traf, wohnte in einem ganz
kleinen Stuͤbchen. Man spielte unschuldige Gesellschaftsspiele wie blinde
Kuh, und machte Ausfluͤge in die Berge. Der Kurfuͤrst, stolz auf seine
Ruͤstigkeit, machte den ganzen Weg auf die 940 Meter hohe Koͤsseine
zu Fuß, waͤhrend die uͤbrige Gesellschaft ritt. Die gewaltigen Felsen
der Umgegend imponierten ihm sehr. Beim Anblick der Granitbloͤcke
der Luchsburg, die damals zu Ehren der Koͤnigin in Louisenburg um⸗
getauft wurde, bedauerte er, sie nicht mit nach Wilhelmshoͤhe nehmen
zu koͤnnen. Nach achttaͤgigem Aufenthalt fuhr er am 21. uͤber Bayreuth
und Hildburghausen wieder zuruͤck, sehr befriedigt von seiner Reise,
deren Hauptabsicht, die in der letzten Zeit, namentlich seit seinem vor—
jaͤhrigen Besuch in Berlin herrschende Verstimmung zu beseitigen, voll⸗
ommen gelungen war.
Man hatte dem Kurfuͤrsten seine Verhandlungen mit Dalberg uͤber
den von Waitz geplanten Kurfuͤrstenbund besonders uͤbelgenommen, aber
man haͤtte doch guten Grund, den Fuͤrsten, der mit seiner stattlichen
Armee gewissermaßen den Vorposten Preußens bildete, bei guter Laune
zu erhalten. „Der Churfuͤrst von Hessen ist ein Chranich, der auff der
Grentze fuͤr uns wacht“ war dem Prinzen Carl von Hessen von Berlin
aus geschrieben worden, und der Prinz, der seinem Bruder diesen selt—
samen Vergleich meldete, fuͤgte hinzu: „Dieser Vorposten ist sehr ehren⸗
1) Anna Fedorowna geb. Prinzessin Juliane v. Koburg, seit 17960 Gemahlin des
russischen Thronfolgers, spaͤter geschieden.