Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Neue Unternehmungslust Bauten 
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sein Arbeitseifer und seine Unternehmungslust wieder. Er „kurierte sich 
durch Bewegung'“, ritt wieder fleißig auf seinem Perseus aus, war oft 
auf seiner Lieblingsschoͤpfung, der Loͤwenburg, und kontrollierte dort die 
Aufstellung der Altertums⸗ und Kunstsammlungen sowie der Bibliothek, 
die Strieder!) und der Archivar Gottschedt?) besorgten. Daneben beschaͤf— 
tigten ihn die Vorarbeiten zu einem Codex Wilhelminus, einer Zu— 
sammenfassung des geltenden hessischen Rechtes. Er ernannte dafuͤr 
eine Gesetzeskommission, die am 15. Mai 1805 zum ersten Male zu— 
sammentrat. Von anderen wichtigeren Regierungsmaßregeln dieser Zeit 
mag noch die Errichtung des Oberschulrats am 27. Juni 1805 erwaͤhnt 
werden, der die hochnoͤtige Verbesserung des Unterrichts in den Stadt⸗ 
und Landschulen sich angelegen sein lassen sollte. 
Auch die Baulust regte sich wieder in dem Kurfuͤrsten. Der um⸗ 
fangreiche Anbau im inneren Schloßhof zu Cassel mit einer großen Treppe 
und neuen Repraͤsentationsraͤumen war unter Jussows Leitung schon 
im Laufe des Jahres 1804 fertig geworden. „Es wird viel kosten“, 
meinte Wilhelm bei der Vorlegung der Plaͤne, aber ihre Ausfuͤhrung 
befriedigte den Bauherrn. Es ist zu bedauern, daß man sich von der 
angeblich wohlgelungenen Vollendung des „schweren Unternehmens, ein 
zothisches Gebaͤude mit der schoͤnen und reinen Architektur kuͤnstlich zu 
vereinigen“8), keine rechte Vorstellung machen kann, da all die neuen 
bon Ruhl ausmoͤblierten, von Boͤttner und Range ausgemalten Raͤume, 
der Schweizersaal, Gardeducorpssaal, Marmorsaal und Audienzsaal sieben 
Jahre spaͤter ein Raub der Flammen wurden. Am Totentor entstanden 
neue Kasernenbauten mit einem Exerzierhaus, und am Anfang der neuen 
Wilhelmshoͤher Allee wurde der „neue Cirque“, das spaͤter sog. Rondel, 
abgesteckt und mit dem Bau eines monumentalen Tores begonnen, von 
dem aber nur die beiden seitlichen Wachtgebaͤude fertig wurden. Der 
schon fruͤher, hauptsaͤchlich im Interesse des Tabaksfabrikanten Thorbecke 
geplante Bau eines Hafens zu Veckerhagen blieb in seinen Anfaͤngen 
stecken und wurde auf Beschwerde der in ihrem Monopol bedrohten 
Carlshafer ganz eingestellt. Dagegen wurden die Anlagen in Nenn— 
dorf und Geismar weiter verschoͤnert und ausgebaut, und der Kurfuͤrst 
1) Friedrich Wilhelm Strieder aus Rinteln (1739 — 1815), Hofbibliothekar und 
Geh. Kabinetsarchivar, Verfasser der 18 Baͤnde fuͤllenden Hessischen Gelehrtengeschichte. 
Dieser aus dem gemeinen Soldatenstand hervorgegangene, fleißige, pedantische, seinem 
Herrn in unbedingter Treue ergebene Gelehrte ist der Typus des literarischen Hessens 
zur Zeit Wilhelms J. 
2) A. Gottschedt, ein Neffe des beruͤhmten Leipziger Literaturpapstes, Kriegsrat 
und seit 1805 Geh Kabinetsarchivar. F um 1840. 
3) Hess. Denkwuͤrdigkeiten 4—a, 493.
	        
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