Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Napoleon in Mainz 1804 Wilhelm krank 247 
außer einer Anzahl kleinerer Potentaten der Kurerzkanzler, der Kurfuͤrst 
von Baden und die Erbprinzen von Darmstadt und Baden den neuen 
Zaͤsar huldigend umgaben. Waͤhrend dieser ganzen Zeit war der hessische 
Kurfuͤrst zu Wilhelmsbad in naͤchster Naͤhe, aber er kam doch nicht 
nach Mainz trotz aller lockenden und mahnenden Einladungen Talley⸗ 
rands und Bignons. Ein ploͤtzlicher heftiger Gichtanfall, vielleicht 
verursacht durch die Aufregungen, die durch anonyme Warnungsschreiben 
noch verstaͤrkt waren, hielt ihn ans Lager gefesselt, sodaß er nicht ein⸗ 
mal an der Taufe seiner juͤngsten Enkelin, der Prinzessin Marxie (spaͤteren 
Herzogin von Meiningen) teilnahm. In Mainz wollte man aber an 
diese Krankheit nicht glauben, und daß der Kurfuͤrst nicht einmal wenig⸗ 
stens seinen Sohn schickte, wie der Landgraf Ludewig X. von Darmstadt) 
getan, war mindestens recht auffallend. Sicher ist, daß dem Kurfuͤrsten 
das schmerzhafte Podagra diesmal nicht ganz unwillkommen kam, wie 
er denn auch nach einem Besuche des Erbprinzen von Leiningen, der von 
den Mainzer Kaisertagen erzaͤhlte, seinem Schoͤpfer dankte, daß er ihn 
vor der Teilnahme daran bewahrt habe. Bei Napoleons Abreise war 
er auch sofort wieder gesund und konnte am 4. Oktober nach Cassel zu⸗ 
ruͤckkehren. 
Die Krankheit Wilhelms war keine Verstellung gewesen, wenn er 
auch aus naheliegenden Gruͤnden ihre Dauer wohl absichtlich etwas in 
die Laͤnge gezogen hatte. Seitdem er in das siebte Jahrzehnt seines 
Lebens eingetreten war, wurde er oͤfters von der Gicht heimgesucht, trotz 
seiner regelmaͤßigen Bade⸗ und Trinkkuren zu Geismar und Nenndorf, 
trotz englischer Dampf⸗ und Schwitzbaͤder und trotzdem er, der so schon 
aͤußerst Maͤßige, seit 1801 den „Rheinwein gaͤnzlich abandonniert“ hatte. 
Seine Ärzte hatten bei den Gichtanfaͤllen keinen leichten Stand bei ihm. 
Er spottete uͤber „die alten Sitten der Aesculaps, die immer nur ihre 
alte Leier predigten und blos Zuschauer blieben, wenn ihr Herr Tag und 
Nacht duldete“, und konnte dann auch — wenigstens in seinem Tage⸗ 
buch — eine kleine Schadenfreude nicht unterdruͤcken, als auch sein erster 
Leibarzt mal infolge eines Ischiasanfalles „die verdiente Zeche bezahlen 
mußte.“ 
Sein koͤrperlicher Zustand war sehr von seinem seelischen Wohlbe— 
finden abhaͤngig, wie er denn seine Leiden gern auf „das viele franzoͤsische 
Ärgernis“ schob. Die letzten Jahre hatten ihm besonders viel Unruhe, 
biel Arbeit, viel hin und her, Reisen, Besuche und Gegenbesuche gebracht. 
1) Auch er ließ sich wegen eines Fußuͤbels entschuldigen.
	        
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