246 Kaiser von Oesterreich Konferenz mit Dalberg
Am 10. August 1804 hatte Kaiser Franz II. als Herrscher seiner
Erblande den Titel eines Kaisers von Oesterreich angenommen.
„Diese Nachahmung des napoleonischen Beispiels traf alle deutschen Herzen
schwer und gab wenig Vertrauen fuͤr die weitere Haltung des Ober⸗
hauptes unseres Reichs.“ Den Kurfuͤrsten mußte, dieser Schritt beson⸗
ders beruͤhren, da dadurch das Wahlrecht des Kurkollegs empfindlich
betroffen, ja geradezu bedroht wurde. Zur Wahrung dieses Rechtes
setzte sich Wilhelm sofort mit dem naͤchsten seiner Standesgenossen, dem
neuen Mainzer Kurerzkanzler Dalberg?) in Verbindung und fuhr am
4. September 1804 mit dem Kurprinzen zusammen nach Aschaffenburg.
Nach einem Projekt von Waitz — in dem Bignon spaͤter die Anfangs—
idee des Rheinbundes erblicken wollte — verhandelte man hier und zu
Philippsruhe, wohin Dalberg zum Gegenbesuch kam, uͤber die Gruͤn—
dung eines „Kurvereins“, kam aber zu keinem rechten Resultat, zumal
eine andere Frage bei dieser Gelegenheit das Interesse der beiden Fuͤrsten
stark in Anspruch nahm; das war die Frage, wie man sich zu dem be—
absichtigten Besuche Napoleons in Mainz stellen, und ob man die
dorthin ergangene Einladung annehmen sollte. Kurfuͤrst Wilhelm
hatte nicht die geringste Lust, dem neuen Imperator zu huldigen, der
eben zu Aachen den Nachfolger Carls des Großen gemimt hatte, und
da auch Dalberg sich ablehnend verhielt, (als Kurfuͤrst hatte er Mainz
noch nie betreten), so fuhr Wilhelm am 8. September nach Cassel zuruͤck.
Kaum dort angekommen, erhielt er aber eine Stafette mit der Nachricht,
daß der fuͤr die politischen Wandlungen der Zeit sehr empfaͤngliche Kur—⸗
erzkanzler seinen Entschluß geaͤndert habe; er hielt es auf dessen und
Waitz' Zureden nun doch fuͤr geraten, mit letzterem zusammen nach
Wilhelmsbad zuruͤckzukehren, wo er am 13. September wieder eintraf.
Es war eine schwere Zumutung fuͤr ihn, dem gehaßten Emporkoͤmmling
den Hof zu machen, aber seine Ratgeber und Bignon draͤngten un⸗
ausgesetzt. Dieser versprach einen glaͤnzenden Empfang in Mainz und
und ließ durchblicken, daß der Hessenfuͤrst große Vorteile aus der Be—
gegnung mit Napoleon haben werde. Man sprach u. a. von einer obersten
Feldherrnstelle in einer von Napoleon gebilligten Union der Kurfuͤrsten
und groͤßeren Fuͤrsten, eine Aussicht, die dem militaͤrischen Stolze des
Hessen schmeicheln mußte. Napoleon war 14 Tage zu Mainz, wo
2) Karl v. Dalberg?* 1745. Koadjutor, dann 1802 Nachfolger Erthals als
sturfuͤrst von Mainz, 1806 Fuͤrstprimas des Rheinbundes, 1810— 13 Großherzog von
Frankfurt, 7— 1817 als Bischof von Regensburg. Auch er hatte auf der Gagernschen
Liste r Fuͤrsten gestanden, die zur Rettung Deutschlands berufen erschienen. Vergl.
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