Bignon Kaiser Napoleon 1804
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Baden und der Ermordung des Herzogs von Enghien erwartete und
heftig bewegte. Er gab nun am 21. April den Befehl zum Zusammen⸗
ziehn der kurhessischen Armee zwischen Diemel und Weser und sandte
den Oberjaͤgermeister v. Witzleben!) nach Dresden, um mit dem Kur⸗
fuͤrsten von Sachsen Fuͤhlung zu nehmen. Aber ehe die militaͤrische
Ordre ausgefuüͤhrt wurde, mußte sie schon wieder auf den Druck der
franzoͤsischen Gesandtschaft zuruͤckgenommen werden. Zaͤhneknirschend fuͤgte
sich der Kurfuͤrst; seine fermetè half ihm diesmal nichts, da Preußen
sich wieder mit Frankreich verstaͤndigte und sogar den Reichsstag bewog,
hon einer Beschwerde uͤber den Voͤlkerrechtsbruch in Baden abzusehn.
Der neue franzoͤsische Gesandte machte uͤberhaupt dem Kurfuͤrsten
das Leben sauer. Edouard Bignon,“) der, von Berlin kommend,
im August 1803 den hoͤflichen und umgaͤnglichen Rivals abgeloͤst hatte,
war aus ganz anderm Holz geschnitzt als sein Vorgaͤnger. Seinem Ge—
bieter Bonaparte, dessen Geschichtsschreiber er spaͤter wurde, voͤllig er⸗
geben, trat er, wie dieser, sehr anspruchsvoll auf, ließ jedes Taktgefuͤhl
vermissen und mischte sich in alle moͤglichen Angelegenheiten. Der Kur⸗
fürst suchte ihn moͤglichst zu „evitieren und indifferent zu behandeln“, zu⸗
mal er sich dem schlauen Diplomaten nicht gewachsen fuͤhlte; dann be—⸗
schwerte sich aber der Franzose, daß er nicht oft genug zu Hofe gezogen
wuͤrde. Ja, er setzte sogar durch, daß seine Geliebte, eine Theaterdame,
Madame Chevalier, von den Ministern (die seit 1800 angefangen hatten,
alle Dienstage Gesellschaften zu geben) empfangen wurde. „Wie weit
alles in der Welt gekommen, zeigt diese haͤßliche Geschichteę“, klagte der
Kurfuͤrst mit dem Stoßseufzer: „Gott wird doch dem Unbaden einmal
ein Ende machen!“
Und diesen ihm „unausstehlichen, impertinenten Patron“, mußte Wil—⸗
helm als ersten Ehrengast in dem neuen Audienzsaal des alten Casseler
Schlosses empfangen, und zwar bei einer Gelegenheit, die ihm sehr nahe
ging, naͤmlich als Bignon sich zuerst als — kaiserlich franzoͤsischer Ge—
sandter vorstellte. Ja, er mußte es erleben, daß „fast ganz Cassel“ an
der großen feête teilnahm, die Bignon 1804 zur Kroͤnungsfeier des neuen
Kaisers Napoleon gab, noch dazu ausgerechnet am 2. Dezember,
dem hessischen Erinnerungstag der Erstuͤrmung von Frankfurt!
1) Friedrich Ludwig v. Witzleben (1755— 1830) aus Wolmirstedt i. Th. kam aus
nassauischen Diensten. Langjaͤhriger Leiter des hessischen Forstwesens, auch in west⸗
faͤlischer Zeit. Nach der Restauxation Geheimer Staatsminister der Finanzen.
2) *1771 Sohn eines Faͤrbers von Rouen. Seit 1798 im diplomatischen Dienst.
Spaͤter Baron und nach der Julirevolution Minister und Pair von Frankreich. Verfasser
der Histoire de France depuis le 18. Brumaire. 6 Bde. Paris 1829f. * 1841.