Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Kapitulation der Hannoveraner 1803 Mortiers Erpressungsversuch 243 
v. Wallmoden)) nicht an, und als in Cassel verlautete, die Hannove⸗ 
raner wollten sich zur Wehr setzen und die Franzosen aus dem Lande 
werfen, schrieb der Kurfuͤrst: „mein ganzes deutsches Blut erwacht“ 
und war fuͤr einen Augenblick voller Zuversicht, um bald darauf wieder 
in tiefe Niedergeschlagenheit zu versinken „uͤber die Lage Deutschlands, 
welches Preußen auf die unverantwortlichste Weise den Franzosen preis⸗ 
gegeben hat.“ 
Seine truͤben Ahnungen sollten nicht truͤgen. Die Franzosen in 
Hannover zeigten sich bald als recht unbequeme und unverschaͤmte Nach⸗ 
barn. Bonaparte hatte kein Geld, erzaͤhlte aber dem preußischen Ge— 
sandten zu Paris, er werde sich schon welches von den großen Geld—⸗ 
leihern in Deutschland verschaffen. Und richtig, nachdem Mortier be— 
reits die Hansestaͤdte und Mecklenburg mit Zwangsanleihen begluͤckt 
hatte, erschien auf einmal im Oktober 1803 sein Schwager, ein Citoyen 
Durbach, in Cassel, um gleichfalls mehrere Millionen zu erpressen und 
dafuͤr im Namen Mortiers die Abtretung des hannoͤverschen Amtes 
Muͤnden in Aussicht zu stellen. Aber der Kurfuͤrst huͤtete sich wohl, 
auf dies Geschaͤft einzugehen, das ihn in unangenehme Verwickelungen 
mit England gebracht haͤtte. Er ließ sich durch die Franzosen nicht ein⸗ 
schuͤchtern, obwohl der preußische Gesandte Graf Wittgenstein dringend 
abriet, rundweg nein zu sagen, ging auch nicht von Cassel fort, wie 
dieser ihm zumutete, sondern lehnte das Ansinnen glatt ab. Wilhelm 
war dabei auf alles gefaßt, ließ deshalb die Grenzkordons verstaͤrken 
und von dem General v. Motz einen Defensionsplan fuͤr Hessen entwerfen. 
Seine Umgebung war sehr besorgt, der franzoͤsische Gesandte trat umso 
dreister auf, der Geheime Rat aber zeigte nur „lauter Furcht vor den 
gottlosen Franken“. Der Minister v. Ba umbach warnte direkt davor, 
den „bekannten hessischen Loͤwenmuth“ gegen die kolossalische Macht 
Bonapartes auszuspielen, zumal von Preußen keine Hilfe zu erwarten 
sei. Einen moralischen Ruͤckhalt hatte der Kurfuͤrst dagegen an seinem 
Bruder Carl, der ihm brieflich voͤllig beipflichtete und auch die daͤnische 
Grenze gegen Hannover verstaͤrken ließ. Bonaparte spoͤttelte zwar 
im Moniteur uͤber die „ruineuse manie militaire“ gewisser kleiner Fuͤrsten, 
huͤtete sich aber doch, den Bogen zu uͤberspannen. Durbach mußte un⸗ 
verrichteter Sache wieder abziehn, und der Kurfuͤrst hatte sogar die Ge— 
nugtuung, daß Mortier sich zu einer Art Entschuldigung verstand. Dieser 
1) Sohn Georgs JII. und der Graͤfin Varmouth (S. 22), Oberbefehlshaber der 
hannoͤverschen Armee, die durch die Konventionen von Suhlingen (3. Juni) und Artlen⸗ 
burg (5. Juli) ihr vorlaͤufiges Ende fand.
	        
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