11. Kurfuͤrst Wilhelm J.
Jahre der Unruhe (1803 —05)
Dæe Reichsdeputationshauptschluß hatte das Siegel unter den Reichs⸗
frieden gesetzt, aber Deutschland kam damit nicht zur Ruhe, am
wenigsten der neue hessische Kurfuͤrst. Die rauschenden Feste der Kur—
proklamation bildeten fuͤr ihn nur eine kurze Unterbrechung sorgenvoller
Tage. Haͤusliche und politische Sorgen nagten an ihm. Der Kurprinz
war krank gewesen, und Wittgenstein, der ihn in Hanau besucht hatte,
sprach sich sehr besorgt uͤber ihn aus. Der kleine Enkel Fritz (nach
dem Tode seines Bruͤderchens) die einzige Hoffnung des Stammes)
wollte dem Großvater auch nicht recht gefallen. Als er den Einjaͤhrigen
zum ersten Male auf den Armen hielt, fand er ihn „sehr dick, aber
ohne gute Farbe.“ „Gott schenke ihm langes Leben“ betete er in seinem
Tagebuch, fuͤgte aber die melancholische Bemerkung hinzu: vix credo.
Auch des Kurfuͤrsten eigene Gesundheit, von ihm wie gewoͤhnlich peinlich
uͤberwacht, ließ damals zu wuͤnschen uͤbrig, und das erinnerte ihn daran, daß
man ihn neulich in Cassel schon einmal faͤlschlich totgesagt habe. Bei
seiner sonstigen Ruͤstigkeit schob er die Schuld an den jetzt oͤfters auf—
tretenden kleinen Gichtanfaͤllen auf seinen politischen Ärger, an welchem
der Unmut und die Enttaͤuschung uͤber die mißgluͤckten Vergroͤßerungs⸗
plaͤne einen starken Anteil hatten.
Nach deren Scheitern hatte er auf eigne Faust noch einen Versuch
gemacht, die kleine Grafschaft Pyrmont zu erwerben, die der ihm mit
uͤber eine Million Talern verschuldete Fuͤrst von Waldeck abzutreten ge⸗
neigt war. Das Geschaͤft, fuͤr dessen Zustandekommen dem Grafen
Wittgenstein ein douceur von 20000 Talern versprochen war, zerschlug
sich aber noch im Laufe des Jahres 1803, ebenso wie der Versuch miß—
gluͤckte, das hessische Gebiet durch Mediatisierung der anliegenden reichs⸗
ritterschaftlichen Texritorien abzurunden. Die vergewaltigten Ritter
klagten in Wetzlar, und noch einmal schuͤtzte das schon ersterbende Reich
1) Prinz Wilhelm, der aͤlteste Sohn des Kurprinzen, * 9. April 1798, war schon
am 25. Oktober 1800 zu Hanau wieder gestorben.
Losch, Kurfuͤrst Wilhelm J.