Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Proklamation der Kurwuͤrde 1803 
280 
Reichsdeputationshauptschluß das andere Ziel seines langen heißen 
Strebens, die Kurwuͤrde. Daß sie nicht ihm allein als besondere 
Auszeichnung, sondern in Gemeinschaft mit drei mitkonkurrierenden 
Standesgenossen (Wuͤrttemberg, Baden und Salzburg) zufiel, minderte 
ihren Wert ebenso, wie uͤberhaupt das nunmehr zehnkoͤpfige Kurkollegium 
durch die neuesten Ereignisse zu einem recht bedeutungslosen Institut 
herabgesunken war. Daß die neuen Kurfuͤrsten ihr Recht zur Teilnahme 
an einer roͤmischen Kaiserwahl uͤberhaupt niemals ausuͤben wuͤrden, 
konnte man freilich noch nicht wissen. 
Der Sonntag Rogate, der 15. Mai 1803 ), war „der große, fuͤr 
Hessen so wichtige Tag“, an dem die feierliche Proklamation stattfand. 
Vom schoͤnsten Fruͤhlingswetter beguͤnstigt, begann er mit Kanonen⸗ 
donner und Glockengelaͤut, waͤhrend schon am fruͤhen Morgen die Straßen 
der sonst so stillen Residenzstadt von zahllosen fremden und einheimischen 
Schaulustigen wimmelten. Um 8 Uhr verließ der Regierungssekretar 
Ruͤppell in altdeutscher Hexroldstracht auf einem schneeweißen Zelter das 
Schloß, ritt unter dem Schmettern der ihn begleitenden Pauken und 
Trompeten durch die Stadt und verkuͤndete auf allen oͤffentlichen Plaͤtzen, 
daß des Herrn Landgrafen Hochfuͤrstliche Durchlaucht die Kurwuͤrde, 
„diese der teutschen Reichsfuͤrsten hoͤchste und der Koͤniglichen am 
aaͤchsten kommende Wuͤrde“, nunmehr angenommen habe, und schloß 
mit einem Vivat auf den neuen Kurfuͤrsten Wilhelm J. Nach 
riner großen Gratulationscour im Schlosse begaben sich saͤmtliche Be⸗ 
hoͤrden, Magistrate, Offiziere und der gesamte Hof in feierlichem Zuge 
durch die Stadt nach der Stiftskirche zu St. Martin, an deren Haupt⸗ 
portal die Geistlichen der christlichen Konfessionen den neuen Kurfuͤrsten 
empfingen. Maͤchtig erbrauste der Ambrosianische Lobgesang, als die 
Festgemeinde ihre Plaͤtze eingenommen hatte. Bis dahin war alles 
nach der vom Obexhofmarschallamt herausgegebenen gedruckten Fest⸗ 
disposition programmaͤßig verlaufen. Als aber der Superintendent 
Rommel die Kanzel bestieg, um die befohlene kurze Predigt zu halten, 
60 Quadratmeilen mit 237 000 Einwohnern. Dem gegenuͤber waren die 4 Quadrat⸗ 
meilen mit 14000 Einwohnern, die Kurhessen fuͤr *. Quadratmeilen mit 2500 Ein⸗ 
vohnern Verlust erhielt, eine um so bescheidenere Entschaͤdigung, als der Landgraf im 
Begensatz zu den meisten anderen Konkurrenten sich besonders auf seine im Revolutions⸗ 
krieg gebrachten Opfer berufen konnte. 
1) „Die Proklamation der Kurwuͤrde seitens des Reichs konnte W. nicht ab— 
varten“! (Petersdorff). Wuͤrttemberg (27. April) und Baden (2. Mai) beeilten sich noch 
mehr, ohne daß m. W. ein Historiker ihnen das angekreidet hat. Nach Wilhelms 
Tagebuch erhielt er uͤbrigens am 1. Mai per Estafette aus Regensburg die Nachricht 
bon der kaiserlichen Ratifikation.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.