CKarls Warnung 1799 Vereitelte Mobilmachung 233
qui ne connait plus de digue“) beobachtete und in regem politischem
Briefwechsel mit dem Landgrafen stand, eine Mitteilung, die ihn sehr
beunruhigte. Carl schrieb am 21. August: „Ein sehr frantzoͤsisch Ge⸗
sinnter und in den dasigen Geheimnissen nicht unerfahrener Mann sagte
neulich an einem, dem er traute, und der ihn wegen des jezigen sinkenden
Zustandes von Frankreich sprach, daß man auff allem vorbereitet waͤre.
Der andere erwiderte: aber wenn Preußen und Hessen auch losbraͤchen?
Da sagte Ersterer: Ja, so beschneiden wir erst die Fluͤgel am Land⸗
grafen, dann bleibt Preußen schon von selbst ruhig! Wahrscheinlich
heißt dieses, daß man einen coup de main gleich auf Caßell machen
wuͤrde und den Schatz abhohlen, wodurch auch die preußische mobilitet
gelaͤhmt seyn moͤchte. Wenn man nur gleich einige Truppen mit allem
versehen vorwerfen kan, so waͤre alles bald wegzuschaffen, aber Spions
in Maynz und Coblentz werden doch nothwendig seyn.“ Die Warnung
war nicht ganz grundlos. Den Franzosen war es, wie gesagt, nicht
unbekannt, daß Wilhelm LX. die Bildung der neuen Koalition nach
dem Scheitern des Rastatter Kongresses mit Freuden begruͤßt und gern
gesehn haͤtte, wenn auch Preußen sich dem Bunde gegen Frankreich an⸗
schließen wuͤrde. Auf der Plattform des Herkules hatte der Landgraf
am 9. Juni dem Koͤnig Friedrich Wilhelm III. einen eben an—⸗
gekommenen Brief mit aͤhnlichen Wuͤnschen des Kaisers von Ruß—⸗
land mitgeteilt; aber die ihm nahegelegte Antwort zeigte deutlich,
„daß man nichts thun wollte“. Ein paar Wochen spaͤter, kurz nach
Farls Warnung, kam auf einmal die Nachricht, daß die Franzosen „wider
den Frieden armata manu“ in die Grafschaft Hanau eingedrungen seien
und Bockenheim besetzt haͤtten. Wilhelm ließ darauf sofort die Be—
urlaubten im Korps einziehen, bestimmte zwei Sammelplaͤtze, Cassel und
Ziegenhain, und sandte zwei Regimenter nach Hanau, um die Grafschaft
zu schuͤtzen. Der franzoͤsische Divisionsgeneral Hatry sperrte aber einfach
in der Wetterau die Etappenstraße und ließ die Hessen nicht durch.
Da zugleich der franzoͤsische Legationssekretaͤr Simon, der fuͤr den ver⸗
reisten Rivals die Geschaͤfte fuͤhrte, sehr belastende Berichte uͤber des Land⸗
grafen Politik nach Paris sandte, so blieb Wilhelm im Gefuͤhl seiner
Vereinsamung und Schwaͤche nichts uͤbrig, als klein beizugeben und seine
militaͤrischen Maßregeln mit den geplanten Herbstmanoͤvern zu entschul⸗
digen. Das Einzige, was er erreichte, war die Abberufung des ver—⸗
haßten Simon, eines „unwuͤrdigen Menschen, der seines Jakobinertums
wegen in Cassel allgemein verachtet wurde.“ Die Franzosen aber blieben
in Bockenheim, und im Winter hatte man außer ihnen auch noch Hollaͤnder