Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

232 Der Versucher Talleyrand Wilhelms Franzosenhaß 
licher zu stimmen. Dabei fehlte es nicht an starken Versuchungen, ihn 
fuͤr Frankreichs Politik zu gewinnen. Das franzoͤsische Direktorium hatte 
zeitweise große Plaͤne mit ihm vor. Talleyrand haͤtte ihn gern an der 
Spitze eines deutschen Fuͤrstenbundes gesehn, der als Puffer zwischen dem 
Rhein und Hsterreich und Preußen dienen sollte. „Le Landgrave par sa 
position, par ses moyens militaires et par ses richesses est appelẽè 
à de hautes destinées“ schrieb er im September 1798 nach Cassel. 
Aber Rivals, der den Landgrafen uͤber diese chance superbe seiner 
zukuͤnftigen grandeur sondieren sollte, mußte sich bald davon uͤberzeugen, 
daß Wilhelm nicht der Mann war, sein Geld in dies Geschaͤft zu stecken 
und die Rolle eines franzoͤsischen Satrapen zu spielen. Sein Franzosen⸗ 
haß war unvermindert. Nachdem sich die zweite Koalition gegen die 
Republik gebildet hatte, verfolgte er mit brennendem Interesse die kriege⸗ 
rischen Ereignisse, freute sich uͤber jeden Erfolg der Kaiserlichen und 
Englaͤnder und konstatierte mit Befriedigung, wenn die „jacobinischen 
Gesandten“ in Cassel (außer dem Franzosen Rivals war 1797 dort 
noch ein Geschaͤftstraͤger der batavischen Republik Raet van B oegels⸗ 
kamph aufgetaucht, ein bien mauvais sujet, das der Landgraf nur 
auf unaufhoͤrliches Draͤngen von Waitz und Rivals empfing) die „Koͤpfe 
haͤngen ließen“ und nach den Siegen des Erzherzogs Carl sich sogar 
„furchtsam“ und „sehr demuͤthig“ zeigten. Bei allen „guten Nachrichten“, 
die geruͤchtweise nach Cassel gelangten, verfehlte Wilhelm nicht, in sein 
Tagebuch den Wunsch zu vermerken: „Gott gebe, daß es sich bestaͤtigt“, 
was leider oft nicht der Fall war. Als die Kunde von dem Rastatter 
Gesandtenmord in Cassel eintraf, da hatte er kein Mitleid fuͤr die Opfer, 
raͤsonierte vielmehr daruͤber, daß die Tat „hier mehr Sensation macht 
als der Tod Ludwig XVI., uͤber welchen diese drei boͤsen Kerls das 
Todesurtheil gesprochen haben.“ Die Franzosen wußten auch ganz ge⸗ 
nau, was sie von Wilhelm zu halten hatten, und wenn sie politisch oben⸗ 
auf waren, mußte er manche Demuͤtigung in die Tasche stecken. Im 
Grunde genommen gehoͤrte dazu auch, daß er auf seinen Reisen nach 
Hanau durch die Wetterau sich eine Eskorte der in Friedberg liegenden 
franzoͤsischen Besatzung gefallen lassen mußte, noch dazu, wenn es, wie 
im Juni 1797, zwei Eskadrons Husaren waren, die kurz vorher die 
mainzische, mitten in Hessen gelegene Stadt Fritzlar gebrandschatzt hatten. 
Im Sommer 1799 erhielt Wilhelm von seinem Bruder Carl, der von 
Daͤnemark aus besorgt das Vordringen der Revolution (dieser „gangrène, 
1) Er starb am 11. Januar 1804 zu Cassel.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.