Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

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Abgesehen von einer Expedition nach Paderborn, wohin im Herbst 1797 
auf Bitten des Fuͤrstbischofs vier Bataillone Infanterie und ein Detache⸗ 
ment Kavallerie und Feldartillerie zur Unterdruͤckung dortiger Unruhen 
abgesandt wurden (was der Landgraf um so bereitwilliger tat, als er 
sich auf Grund der Pyrmonter Konvention schon fuͤr den zukuͤnftigen 
Herrn des Bistums ansah) und abgesehen von der Bildung verschiedener 
Grenzkordons im Suͤden des Landes zum Schutz gegen die Krieg— 
fuͤhrenden kamen die hessischen Truppen in dieser Zeit zu keiner ernsthaften 
Verwendung. Der hohe Friedensetat gehoͤrte deshalb auch zu den Be—⸗ 
schwerden der Landstaͤnde, die aber keine Beruͤcksichtigung fanden, da 
„Serenissimus allein zu beurtheilen haͤtten, was zur defension des 
Landes und um sich gegen Auswaͤrtige in Respect zu setzen noͤthig sei.“ 
Nach elfjaͤhriger Pause war der Landtag am 2. Oktober 1797 wieder 
einmal zusammengetreten, zum zweiten Male seit Wilhelms IX. Regie⸗ 
rungsantritt. Der Protest gegen den Militarxrismus wurde den Staͤnden 
von dem Landgrafen sehr uͤbel genommen, wie uͤberhaupt die große 
Zahl ihrer diesmaligen desideria et gravamina. Forderungen, wie die 
der Trennung von Justiz und Verwaltung, Abloͤsung der Fronden und 
Landschaftsrecht fuͤr die Bauern zeigten unverkennbar etwas vom Geiste 
der neuen Zeit, und das Auftreten einiger Mitglieder der Ritterschaft 
mit „sehr schlechten Principien“ wie der Herrn v. Doͤrnberg und v. Boyne⸗ 
burg, die es „sehr an attachement fuͤr ihren Souveraͤn fehlen ließen“, 
erregte starken Anstoß bei dem Fuͤrsten, der nicht daran dachte, sich eine 
Schmaͤlerung seiner Hoheitsrechte gefallen zu lassen, am wenigsten durch 
den Adel. Als im Fruͤhjahr 1798 der Landtag geschlossen wurde, da 
mußte der sonst von dem Landgrafen sehr geschaͤtzte Minister v. Muͤnch⸗ 
hausen hoͤren, daß er als Landtagskommissar gegenuͤber den Anspruͤchen 
seiner xitterschaftlichen Standesgenossen viel zu schwaͤchlich aufgetreten 
sei, und daß nur die fermetèé des Landgrafen manche sottise ver⸗ 
hindert habe. 
Landtag 1797/98 
Im Grunde genommen waren alle Regungen des neuen Zeitgeistes 
fuͤr Wilhelm IX. nicht viel was anderes wie Sottisen, und dem ent— 
sprachen auch manche Vorbeugungsmaßregeln, die er dagegen anwandte. 
Einen direkt komischen Beigeschmack hatte sein hartnaͤckiger Kampf gegen 
die franzoͤsischen Kleidermoden. Es war durchaus das Echo seiner 
eigenen Anschauung, als die Landgraͤfin ihm auf einen Brief aus Wesel, 
wo er mit Entsetzen die jungen Leute à l' incroyable kostuͤmiert herum— 
stolzieren sah, antwortete: „Toutes ces folies font peine à voir, 
surtout lorsqu'on voit journellement plus les mauvaises suites
	        
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