Wilhelm als preußischer Feldmarschall
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Die neue Feldmarschallswuͤrde brachte den Landgrafen in ein naͤheres
Verhaͤltnis und in regelmaͤßige Beruͤhrung mit dem preußischen Soldaten⸗
wesen. Seit 1797 war er auch preußischer Gouverneur von Wesel. Er
nahm das Amt, das schon sein Vater vor ihm bekleidet hatte, sehr ernst,
reiste oft zu laͤngeren Inspektionsreisen an den Rhein und war, seitdem
er im November 1801 auch das preußische Generalkommando in West⸗
falen erhalten hatte, so oft dort, daß seine Tochter Caroline es wagen
konnte, ihn an seine souveraͤne Fuͤrstenwuͤrde zu erinnern. Die „alte
Line“, die noch als Herzogin von Gotha in ihren Briefen an den Vater
sich zuweilen als seine „treue hessische Untertanin“ unterzeichnete, schrieb
ihm einmal offen: »Je n'aime pas trop, quand le Landgrave de
Hesse est incognito et que le Feldwmaréchal de Prusse va à
Wesel.« Das brutale preußische Pruͤgelsystem, das Wilhelm in Wesel
vorfand, war ihm im hoͤchsten Grade zuwider und er suchte nach Kraͤften
das grausame Regime des dortigen Generals von Koͤthen zu mildern.
Als er zum erstenmale dort war, hoͤrte er drei Wochen von nichts anderm
sprechen als von Exekutionen, Komplotten und Desertionen. Auch die
hessischen Kriegsartikel waren nicht milde und ahndeten die geringsten
Übertretungen mit Gassenlaufen, doch sah der Landgraf seinen Offizieren
streng auf die Finger und ließ jeden, der sich Mißhandlungen der Mann⸗
schaften zu schulden kommen ließ, unnachsichtig streng bestrafen. Der
preußische Gamaschendienst und Unteroffiziersgeist hielt aber doch immer
mehr Einzug in Hessen, und wenn auch die Nachahmung preußischer
militaͤrischer Institutionen zum teil auf alter Tradition beruhte, so war
das nicht immer ein Vorteil fuͤr die hessischen Truppen, die noch in den
Revolutionskriegen von Freund und Feind als den Preußen uͤberlegen
geruͤhmt worden waren. (Vol. S. 202, Anm. 2.)
Nach dem Friedensschluß und der Kuͤndigung des englischen Subsidien⸗
bertrags waren umfassende Beurlaubungen und Reduktionen in Hessen
vorgenommen worden; trotzdem blieb der Etat des Militaͤrs ein sehr
hoher. 1796 wurden zwar die leichten Truppen zu zwei Bataillonen
vereinigt, saͤmtliche Infanterieregimenter erhielten aber zugleich nach
preußischem Muster drei Bataillone (ein Grenadier⸗ und zwei Musketier⸗
bataillone), ebenso wurden die Kavallerie⸗ und Dragonerregimenter zu
fuͤnf Eskadrons formiert. Das ganze Korps erhielt 1799 ein von Ochs
entworfenes neues Dienstreglement und von 1802 an neue „zugehakte
Uniforms“. Bei dieser Gelegenheit fielen auch die Haarlocken, der bisher
sorgfaͤltig gewahrte Schmuck namentlich der Grenadierregimenter, eine
revolutionaͤre Maßregel, die der Landgraf vor sich selber mit dem fast
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