226 Wilhelm und das neue preußische Koͤnigspaar
recht freundschaftlich, wozu die Liebenswuͤrdigkeit der von dem Land⸗
grafen wie von aller Welt bewunderten jungen Koͤnigin Luise nicht
wenig beitrug. Wilhelm ILRX. war seitdem ein haͤufiger Gast am
Berliner Hofe und fehlte fast nie bei der alljaͤhrlichen Karnevalsfeier,
obwohl die gerade bei dieser Gelegenheit sich zeigende Tanz⸗ und Ver⸗
gnuͤgungssucht der Koͤnigin ihm wenig zusagte. Kopfschuͤttelnd be⸗
richtete er der Landgraͤfin von dem großen Aufwand der Berliner
Feste und klagte daruͤber, „daß man sich nur mit diesen Nichtigkeiten
beschaͤftigte, ohne sich um die großen Ziele der Politik zu kuͤmmern, daß
man Europa verfallen ließ, ohne die drohende Gefahr zu beachten, in der
jetzt alle Throne schweben.“ Wo es irgend ging, hielt er sich zuruͤck und
blieb „Abends still zu Hause, da die Sucht zu Gesellschaften nicht fuͤr mich
ist“, griff auch in den Pausen zwischen den Festen nach alter Gewohnheit
oͤfters zu Bibel und Erbauungsbuch, „da es hier schwer haͤlt, den Gottes⸗
dienst zu besuchen“. Die freien Stunden, die ihm der Berliner Karneval von
1800 ließ, benutzte er zur Ausarbeitung seiner seit 1786 unterbrochenen
Memoiren, deren im Gegensatz zu den aͤlteren Partien fluͤchtigere und eil⸗
fertigere Fassung die Spuren dieser Entstehung vielfach merken laͤßt.
Trotz seiner scharfen Kritik des preußischen Hoflebens kam der Land⸗
graf immer wieder nach Berlin, weil er sich als eine Hauptsaͤule der
preußischen Politik betrachtete, die er vergeblich in seinem Sinne zu be—
einflussen suchte. Im Juni 1799 kam das junge preußische Koͤnigspaar
zum ersten Male zum Gegenbesuche nach Cassel. Das war ein großes
Ereignis fuͤr die hessische Residenz, fur das schon wochenlang vorher
Vorbexeitungen getroffen wurden. Der Landgraf nahm den Koͤnig am
8. Juni zu Westuffeln in Empfang und geleitete ihn nach Cassel, wo
die Koͤnigin Luise mit ihrer Schwester, der Prinzessin von Taxis, schon
borher eingetroffen war. Vier Tage lang stand ganz Cassel auf dem
Kopf und berauschte sich an den zu Ehren des hohen Besuches ver⸗
anstalteten Festlichkeiten. Der alte Casparson, der „siebzigjaͤhrige Saͤnger
des Hochfuͤrstlichen Hauses Hessen“, griff noch einmal in seine Leier und
beschwor den „Geist der Ritterzeit auf der Loͤwenburg“, als die Maje—
staͤten die kuͤnstliche Ruine besuchten. Eine raffiniert vorbereitete Illumi⸗
nation der Wilhelmshoͤher Wasserwerke bildete den Glanzpunkt dieser
Tage. Das großartige Schauspiel litt freilich durch die Ungunst der
Witterung und durch den Wind, der die zahllosen Tranlaͤmpchen auf dem
Habichtswald teilweise zum Erloͤschen brachte; aber noch jahrelang sprach
man in Cassel von dem feuerspeienden Berge, den die hessische Artillerie
neben dem Herkules mit großer Kunst in Szene gesetzt hatte.