Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Heirat des Erbprinzen 1747 
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zu koͤnnen. Der Landgraf war auch gleich entschlossen, sie politisch 
nach Kraͤften auszunutzen, was er, namentlich bei den Baseler Friedens⸗ 
verhandlungen, nicht ohne Erfolg tat. Nachdem der Hofmarschall v. Velt⸗ 
heim in seinem Auftrage die offizielle Werbung in Berlin vorgebracht 
hatte, reiste Wilhelm IX. im Maͤrz 17092 selbst dorthin, um sich die auf— 
oktroyierte Braut seines Sohnes anzusehn. Prinzessin Auguste, die juͤngste 
Tochter des Koͤnigs, war zwar keine blendende Schoͤnheit, aber mit ihrem 
lebhaften, aufgeweckten Wesen machte sie doch einen guͤnstigen Eindruck 
auf den Landgrafen. Nur war sie noch sehr jung (*1. Mai 1780), 
noch ein halbes Kind, und deshalb suchte Wilhelm die eheliche Ver— 
bindung moͤglichst lange hinauszuschieben, waͤhrend der preußische Hof 
es sehr eilig mit der Hochzeit zu haben schien. Im August 1796 er⸗ 
widerte Friedrich Wilhelm II. den Besuch des Landgrafen und war drei 
Tage, vom 3.—5., in Cassel, wo damals auch das kronprinzlich daͤnische 
Paar zu Besuch weilte. Wilhelm IX. ritt dem Koͤnig bis Landwehr⸗ 
hagen entgegen und sonnte sich dann in der Bewunderung, die sein Gast 
den neuen Schoͤpfungen auf dem Weißenstein und den uͤbrigen Sehens⸗ 
wuͤrdigkeiten seiner Hauptstadt zollte. Dem unaufhoͤrlichen Draͤngen des 
Koͤnigs auf Beschleunigung der Hochzeit mußte er schließlich sehr gegen 
seinen Willen nachgeben. Die Hochzeit fand am 13. Februar 1797 unter 
großem Gepraͤnge im weißen Saale des Berliner Schlosses statt, wobei 
dem Braͤutigamsvater die tags zuvor verliehene Wuͤrde eines preußischen 
Generalfeldmarschalls die Bitterkeit der „furchtbaren Ausgaben“ ver⸗ 
suͤßen mußte. 
O welch ein ruͤhrendes und deutungsvolles Bild! 
Hier fallen zwei verbuͤndete Nationen, 
Reich durch die Vaͤter auf dem Thron, 
Durch gleiche Tugenden verschwistert 
Sich an die treue Brust und segnen ihr Geschick 
hieß es in der Festkantate des Kapellmeisters Himmel, des spaͤteren be— 
ruͤhmten Komponisten von „Es kann ja nicht immer so bleiben“, und 
auf der Berliner Opernbuͤhne sangen Atalanta und Meleagro in einer 
Szenerie, die den Herkules, die Kaskaden und den Weißenstein zeigten, 
italienische Arien zum Preis der Brennen und Hessen. 
Am 21. Maͤrz zog das junge Paar in Cassel ein, blieb aber nicht 
lange dort, sondern siedelte schon am 15. Mai nach Hanau uͤber, das 
der Landgraf zu seiner Residenz bestimmte; denn es hatte sich bald her⸗ 
ausgestellt, „daß ein dauernder Aufenthalt an dem streng geregelten 
Casseler Hofe nicht geeignet sei fuͤr Charaktere, die zum Luxus, zur Ver⸗
	        
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