Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

222 Carolinens Heirat Erbprinz Wilhelm 
Caroline unter der Trennung von dem Geliebten, den sie noch nicht ver⸗ 
gessen hatte, als sie im Januar 1802 die Werbung des verwitweten 
Erbprinzen August Emil von Sachsen-Gotha!) annahm, um nicht 
gaͤnzlich sitzen zu bleiben. Der schoͤngeistige, gaͤnzlich unmilitaͤrische, außer⸗ 
dem noch ziemlich verschuldete Braͤutigam war zwar keineswegs nach 
dem Geschmacke Wilhelms IX., aber die Liebenswuͤrdigkeit und uͤber⸗ 
schwengliche Bewunderung, die der Prinz dem modèle des monarques 
et des bons pères entgegenbrachte, versoͤhnten ihn doch wieder einiger⸗ 
maßen mit den „Singularitaͤten“ seines Schwiegersohnes. Außerdem 
sagte er sich, daß er zufrieden sein muͤsse, die verbluͤhte Tochter mit ihren 
31 Jahren aussi bien établie zu sehn. Am 24. April 1802 fand die 
Hochzeit zu Cassel statt, und mit Wehmut sahen die fuͤrstlichen Eltern 
das letzte ihrer Kinder aus ihrer Mitte scheiden. 
Der sechs Jahre juͤngere Erbprinz Wilhelm war damals schon 
laͤngst verheiratet. Nach der Ruͤckkehr von seiner Schweizer Informations⸗ 
reise, waͤhrend der er in Genf die Familie Sévery (G. 7 ff.) besuchte 
und dann einige Zeit in Lausanne weilte, hatte er im Mai 1793 mit 
seinem Gouverneur Carl Ludwig v. Doͤrnberg die Universitaͤt Leipzig be— 
zogen. Dort lernte ihn im Oktober desselben Jahres Koͤnig Friedrich 
Wilhelm II. von Preußen kennen, als er auf dem Wege vom Rhein 
nach Polen zu Leipzig mit dem Landgrafen zusammentraf. Der huͤbsche 
16 jaͤhrige Prinz gefiel dem Koͤnig. Der damals wohl zuerst auftauchende 
Gedanke, ihn zu seinem Schwiegersohn zu machen, gewann festere Ge— 
stalt, als Wilhelm im Herbste des naͤchsten Jahres, einer Einladung des 
Koͤnigs folgend, sich am Berliner Hofe vorstellte. Trotzdem war der 
Landgraf sehr uͤberrascht, als Graf Wittgenstein ihm in den ersten 
Tagen des Jahres 1795 eine Depesche seines Koͤnigs zu lesen gab, die 
das Eheprojekt und den Wunsch seiner baldigen Ausfuͤhrung erkennen 
ließ. Da der Erbprinz erst 18 Jahre alt war, so kam Wilhelm LX. 
dieser schmeichelhafte Vorschlag doch etwas zu ploͤtzlich; mais il fallut 
entrer dans cette affaire, comme notre politique éêtait trop dépen- 
dante de celle de la Prusse pour pouvoir choquer Sa Majesté. 
Die geplante Verbindung bot viel zu große Vorteile, um sie abweisen 
Friedrichs J. In Stuttgart heiratete er eine Graͤfin Zeppelin, die nach seinem Tode 
(f 16. Maͤrz 1816) den badischen Minister Ludwig v. Hapnau, einen natuͤrlichen Sohn 
Wilhelms LX., heiratete. 
1) Geboren 1771, * 1822, regierte — oder ließ vielmehr seinen Minister v. Franken⸗ 
berg regieren — seit 1804. In erster Ehe verheiratet mit Luise Charlotte von Mecklen⸗ 
burg⸗Schwerin (7 1801). Ueber diesen fuͤrstlichen Sonderling und seine zweite Frau 
veral. meinen Aufsatz in den Preußischen Jahrbuͤchern 175 (1919) 207 ff.
	        
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