Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Die Prinzessinnen Friederike und Caroline — 221 
von Wuͤrttemberg, nichts wissen. Mit den Jahren wurde sie weniger 
waͤhlerisch. Als im Juli 1794 der Erbprinz Alexius von Anhalt— 
Bernburg 1767, reg. 1796- 1834) um sie anhielt, da fand er 
trotz seiner etwas schiefen Huͤfte Gnade vor ihren Augen, und auch vor 
denen des Landgrafen, der den Vater des Braͤutigams von seiner Kopen⸗ 
hager Zeit her kannte. Die Hochzeit fand am 29. Nov. 1794 zu Cassel 
statt, wobei die Stimmung durch die frische Trauer uͤber den Verlust 
von Rheinfels getruͤbt war. Das junge Paar siedelte erst im Fruͤh⸗ 
jahr 1795 nach Ballenstedt uͤber, um aber schon im November wieder 
nach Cassel zuruͤckzukehren, wo Friederike ihre erste Niederkunft erwartete. 
Auch in der Folgezeit war sie oft in Cassel, zumal ihre anfangs ganz 
gluͤckliche Ehe mit der Zeit eine starke Truͤbung erfuhr, woran weniger 
die Liaison des Bernburgers mit einer Demoiselle Schaͤffer als die fruͤh 
sich entwickelnden nervoͤsen Absonderlichkeiten seiner Gemahlin die Schuld 
trugen. 
Wilhelms IX. juͤngste Tochter Caroline (* 1771), mit ihrer frischen 
Lebendigkeit der Sonnenstrahl des Hauses und besondere Liebling des 
Vaters, galt eine Zeit lang als die Zukuͤnftige ihres Vetters Friedrich 
von Hessen, des aͤltesten Sohnes des Prinzen Carl, ihres Jugend⸗ 
gespielen von Hanau her. Die Landgraͤfin beguͤnstigte dies Eheprojekt 
mit dem Sohne ihrer Schwester, aber der Landgraf wollte nichts da⸗ 
von wissen. Auch er schaͤtzte seinen Neffen, der ihn auf dem Feldzug 
in der Champagne begleitete, aber er wollte hoͤher hinaus mit seiner 
Tochter. Als der Landgraf endlich auf Draͤngen von Frau und Tochter 
im Januar 1799 seine Einwilligung zur Veroͤffentlichung der Verlobung 
gab, und als man in Cassel schon alles zum Empfange des Braͤutigams 
ruͤstete, kam auf einmal ein Absagebrief Friedrichs, dem die Wartezeit 
zu lang und die Braut zu alt geworden war.) Nach einer kurzen Zeit 
der Verzweiflung warf die Verschmaͤhte sich in die Arme eines jungen 
Diplomaten, des Grafen Ludwig Taube, der als Assessor am Kriegs— 
kollegium und Kammerjunker am Hofe lebte. Aber mit rauher Hand 
zerriß der Landgraf dies neue Liebesband. Taube wurde im April 1800 
nach Rinteln verbannt und kurz darauf entlassen.“) Schwer litt Prinzeß 
1) Prinz Friedrich E* 1771) schloß uͤberhaupt keine standesgemaͤße Ehe. Erst viel 
spaͤter, 1813, heiratete er die Freiin Clara v. Brockdorf, die sich um seinetwillen von 
hrem Mann, dem daͤnischen Major v. Liliencron, scheiden ließ. Er war seit 1800 
Gouverneur von Rendsburg, wo er am 23. August 1836 starb. 
2) Auf Carolinens Bitten nahm der Landgraf 1803 den Grafen wieder in Gnaden 
an und ernannte ihn zum hessischen Gesandten am schwaͤbischen Kreis in Nuͤrnberg. 
Er trat aber bald darauf in wuͤrttembergische Dienste und wurde Polizeiminister Koͤnig
	        
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