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Landgraͤfin Caroline
eine Redensart, wenn sie ihn bat „d'avoir un petit brin d'amitié
et de tendresse pour celle qui sera jusqu'au dernier moment de
sa vie votre tendre et à jamais fidéèle femme.“ Als der Landgraf
im Juli 1794 ploͤtzlich Nenndorf und seine Familie verlassen mußte,
schrieb sie ihm: Das Haus gefalle ihr nicht mehr, seitdem er nicht mehr
dort sei: und wie ein schuͤchterner Vorwurf klingt es, wenn sie hinzufuͤgte: »j'y
ai passé des jours bien agréables sous le même tosit avec Vous,
mon cher Landgrave, dont depuis tant d'années j'avais éêté privée. «
Als Wilhelm dann zum Entsatz von Rheinfels aus Cassel eilte,
sandte sie ihm einen Brief nach mit herzlichsten Segenswuͤnschen und
dem innigen Dank dafuͤr, daß er unter vier Augen von ihr Abschied
genommen habe; denn in Gegenwart der Andern haͤtte sie ihre Fassung
nicht bewahren koͤnnen. Aber selbst auf diesen herzlichen Brief kam ein
kalter Wasserstrahl, weil sie gewagt hatte, fuͤr die Beibehaltung der
Casseler Schuͤtzenwache im Schlosse zu bitten („die absolut zuverlaͤssig
sei und von der Buͤrgerschaft als eine distinction dankbar anerkannt
wuͤrde“), und der Landgraf diese Bitte als eine Einmischung in mili⸗
taͤrische Angelegenheiten betrachtete. In fast keinem ihrer Briefe fehlte
der Ausdruck zaͤrtlicher Besorgnis um des Landgrafen teure Gesundheit
und die Bitte, sich den Gefahren und Muͤhseligkeiten im Felde nicht zu
sehr auszusetzen. Sie erkundigte sich regelmaͤßig angelegentlich nach
seinen kleinen Leiden und Beschwerden, troͤstete ihn bei militaͤrischen
und politischen Mißerfolgen und verfehlte nie, ihm etwas Angenehmes
fuͤr sein Selbstbewußtsein zu sagen, wie wenn sie ihm z. B. voller Stolz
bon ihrer Besichtigung des Frankfurter Hessendenkmals berichtete. Kurz,
man hat den Eindruck einer Frau, die sich die redlichste Muͤhe gab,
den gestrengen Herrn Gemahl zufrieden zu stellen, der sie doch wahrlich
nicht verwoͤhnt hatte. Ihr Leben in Cassel war recht eintoͤnig und bot
außer den Vorstellungen des Theaters, die sie mit ihren Toͤchtern fleißig
besuchte, wenig Zerstreuung und Abwechselung. Die Besuche der daͤnischen
Verwandten waren seltener geworden und wurden von dem Landgrafen
nicht einmal gern gesehn. Kosteten ihn auch zu viel Geld. Die Land—
graͤfin selber aber reiste nicht viel, so lange sie ihre Toͤchter noch bei
sich hatte.
Die beiden Prinzesinnen waren nun auch laͤngst im heiratsfaͤhigen
Alter, und da sie als gute Partien galten, fehlte es nicht an Freiern,
die sich um sie bewarben. Friederike, die aͤlteste (6 1768) wies 1789
den Grafen von Lippe⸗-Detmold ab und wollte zu ihres Vaters Leid⸗
wesen auch von dem dicken Herzog Friedrich, dem spaͤteren ersten Koͤnig